Proteste gegen Massentourismus: Wohin wird die Reise gehen?

→ Оригинал (без защиты от корпорастов) | Изображения из статьи: [1] [2]

  1. Startseite
  2. Meinung
  3. Kolumnen

Stand: 05.05.2024, 07:45 Uhr

Von: Manfred Niekisch

KommentareDrucken

Immer mehr Proteste regen sich in seinen Zielländern gegen Massentourismus. Gleichzeitig ist er dort ein riesiger Wirtschaftsfaktor.

Frankfurt a.M. - Wo geht's denn hin? Das dürfte die häufigste Frage sein, wenn jemand seinen nächsten Urlaub ankündigt. Und auf die Präzisierung der Destination fällt dann normalerweise ein Kommentar wie „Ach, schön". Bisher zumindest. Das könnte sich allmählich ändern. Schließlich hört man zunehmend von Protesten der lokalen Bevölkerung gegen den Tourismus.

Schlimm muss die Situation vor Ort geworden sein, denn viele dieser Kundgebungen finden statt in Regionen, die vom Geschäft mit den Fremden bisher sehr gut lebten. Hotels, Restaurants, Wohnungsvermietungen, der Souvenirhandel, Sonnenschirme am Strand, Supermärkte, Transportunternehmen, es ist ein hochdiversifizierter, einträglicher Wirtschaftszweig.

Umweltprobleme und Wohnraumangel: Die Proteste haben vielseitige Gründe

Aber wer in der eigenen Heimat keinen bezahlbaren Wohnraum mehr findet, sich belästigt fühlt durch Massen fremder Besucherinnen und Besucher, eingeschränkt wird in seiner Lebensqualität durch hohes Verkehrsaufkommen und Saufexzesse der Angereisten, dem reicht es jetzt.

Venedig ist nur einer von vielen Orten an denen Massentourismus kritisiert wird. © dpa

Dann gibt es da noch die überlagernden Umweltprobleme, um die sich auch Verwaltungen und Politik bemühen. Wasserversorgung und Müllentsorgung gehören zuvorderst dazu. Den Müll der Strandtouris einfach in dünn besiedelten Bergregionen abzukippen, ist nicht gerade nachhaltig. Ebenso wenig wie die Privilegierung der Wasserversorgung für Hotelbetriebe und zum Nachteil der Einheimischen.

Eintritt für den Citytrip: Maßnahme soll Lenkung von Reisenden ermöglichen

Behörden befassen sich immer intensiver mit Überlegungen, wie sich die negativen Folgen des Massentourismus beschränken lassen. Schlagzeilen macht das Eintrittsgeld von fünf Euro für Tagesbesucher in Venedig. Es ist absehbar, dass das keinen einzigen Menschen abhalten wird, die Lagunenstadt zu besuchen. Schließlich kostet jeder einfache Espresso, den man in den Bars auf dem Markusplatz sitzend genießt, deutlich mehr. Zwischen Tauben, Besuchsgruppen aus der ganzen Welt und genervten Anwohnenden.

Die neue Gebühr soll nicht dazu dienen, die reisende und zahlende Masse zu reduzieren, sondern sie mit den neuen Einnahmen besser lenken zu können. Doch schon äußern lokale Gruppen deutliche Skepsis, was da passieren wird, ob das Geld an den richtigen Stellen vereinnahmt und bestimmungsgerecht verwendet wird. Unwirksame Geldschneiderei? Immerhin, von Galapagos bis Ruanda hat Management durch Teuerung zunehmend gut funktioniert und etwas gebracht für Einheimische, Artenschutz und Umwelt.

Folgen des Tourismusbooms: Viele Probleme verstärken sich selbst

Es gibt reichlich Beispiele für die positiven Wirkungen von Tourismus. Wüste, Regenwald, Wattenmeer und Riffe profitieren irgendwie und stehen doch gleichzeitig unter dem Druck ihrer - auch finanziell motivierten - Übernutzung. Die gefährliche Spirale wird befeuert durch immer mehr Kurzurlaube mit logischerweise steigenden Flugzahlen, also mehr klimaschädlichen Emissionen. Mit entsprechend notwendigen Übernachtungsmöglichkeiten.

Die einst schönen, unverbauten Strände von der türkischen Südküste bis zum mexikanischen Cancún wurden bereits nachfragegerecht gestaltet, das heißt verschandelt. Es wird mit den steigenden Tourismuszahlen immer deutlicher, wie recht Hans Magnus Enzensberger hatte, als er schon vor Jahrzehnten feststellte, dass der Tourismus das zerstöre, was er suche, indem er es finde.

Der Tourismus boomt und wächst. Die Gegenbewegung auch. Die Frage, wo es denn hingeht mit dem Tourismus, steht irgendwie am Scheideweg.

Manfred Niekisch ist Biologe und ehemaliger Zoodirektor.