Die Einladungen für die Friedenskonferenz der Schweiz und der Ukraine sind raus

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Der Bürgenstock ist ein Schweizer Vorzeigeberg - hoch über dem smaragdgrünen Vierwaldstättersee thront auf einem Felsplateau eine prächtige Hotelanlage, die Hunderten Gästen aus aller Welt Quartier bieten kann. Zumindest für die äußere Perfektion ist also gesorgt, wenn die Schweiz am 15. und 16. Juni zu einer Ukraine-Konferenz einlädt, von der sich nicht zuletzt die Ukraine selbst einen neuen Schub in Richtung eines Friedensprozesses erhofft. Wenig bescheiden spricht auch die Regierung in Bern von einer "Friedenskonferenz", zu der nun 160 Regierungen und Organisationen eingeladen wurden - Russland ausgenommen.

Die Konferenzidee ist freilich kein Schweizer Werk, auch wenn sich das Land als Gastgeber anbietet und seine Erfahrung als neutraler Vermittler unterstreicht. Begonnen hat die Dynamik bei Andrij Jermak, Stabschef des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij, der bereits viermal Sicherheitsberater aus aller Welt zu einer informellen Konferenz zusammenbrachte, zuletzt am Rande des Davoser Weltwirtschaftsforums im Januar.

Der Zehn-Punkte-Plan der Ukraine wurde für die Konferenz zusammengestrichen

In diesem Konferenzzyklus hat Kiew stets über die Umsetzung der ukrainischen "Friedensformel" sprechen wollen - einen Zehn-Punkte-Plan, den Selenskij bereits im September 2022, also sechs Monate nach Kriegsbeginn, vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen vorgeschlagen hat. Diese "Formel" beinhaltet die Forderung nach komplettem Rückzug Russlands aus der Ukraine, Einstellung der Kampfhandlungen, Wiedergutmachung, Bestrafung der Verantwortlichen und vieles mehr.

Weil mit diesem umfassenden Katalog Staaten außerhalb des engsten Verbündetenkreises der Ukraine und schon gar nicht Russland zu Verhandlungen zu bewegen sein werden, wurde die Liste deutlich reduziert: Verhandelt werden soll über nukleare Sicherheit, humanitäre Aspekte wie die Rückführung von verschleppten Kindern und die Sicherheit von Nahrungsmitteltransporten. Die Hoffnung der Ukraine: Für die abgespeckte Version lassen sich mehr Staaten gewinnen. In Kiew wird gleichwohl die Hoffnung formuliert, dass ein weltweiter diplomatischer Prozess eine eigene Dynamik entwickeln könnte, sollte er erst mal begonnen haben. Vom Schweizer "Friedensgipfel" zum politischen Selbstläufer sozusagen.

Vor allem auf das erste Gruppenfoto wird es ankommen

Wichtig dafür: Möglichst viele Staaten müssen teilnehmen. Europäische und auch ukrainische Diplomaten sagen unverhohlen, dass es bei der Auftaktveranstaltung lediglich auf eines ankomme: das Gruppenfoto, auf dem dann mit Ausnahme Russlands so viele Staaten wie möglich vertreten sein sollten.

Hier beginnt aber das eigentliche Problem. Zwar wurde der Gipfel bewusst auf den Tag nach dem G-7-Treffen in Italien gelegt, in der Hoffnung, dass sich die Karawane der Staatschefs, angeführt vom US-Präsidenten, sofort in die Schweiz aufmacht. Aber die Einladung der Schweizer Bundespräsidentin ist bewusst vage gehalten - angesprochen fühlen dürfen sich Regierungen, nicht nur deren Chefs. Gut möglich also, dass ein Treffen auch von den Außenministern oder lediglich den Spitzenberatern bestritten wird.

Gerungen wird jetzt vor allem um die Teilnahme von Staaten, die sich nicht offen gegen die russische Aggression gestellt haben oder die klar mit Moskau sympathisieren. Vor allem der sogenannte globale Süden steht auf der Zielliste der Veranstalter. Auch die Bundesregierung oder andere Verbündete der Ukraine nutzen ihre diplomatischen Hebel, um China, Indien oder Brasilien auf den Bürgenstock zu locken. So verpackte etwa Bundeskanzler Olaf Scholz während seiner China-Reise Verhandlungspunkte aus der abgespeckten "Friedensformel" in seinen Gesprächskatalog mit Präsident Xi Jinping. Chinas Zusage steht aber bisher aus - sie würde der Konferenz tatsächlich neues Gewicht verleihen. Es gilt als sicher, dass auch Staaten wie Indien oder Brasilien nicht fernbleiben werden, wenn China eine Delegation schickt.

Wer in rund sechs Wochen tatsächlich dabei sein wird auf dem Bürgenstock, will die Schweiz erst kurz vor Beginn der Konferenz publik machen. Sicher ist, dass die ganze Sache am Ende auch dem angeschlagenen Ruf der Eidgenossen in Sachen Ukraine zugutekommen soll. Denn abgesehen von der Weigerung, von ihrer Neutralität abzuweichen und Kiew mit Waffen oder Munition zu unterstützen, hat sich die Schweiz auch im zivilen Bereich nicht gerade als große Unterstützerin der Ukraine hervorgetan.

In den ersten zwei Kriegsjahren, so rechnet das Außenministerium vor, habe Bern "die vom Krieg in der Ukraine betroffene Bevölkerung in der Schweiz oder dem Ausland" mit rund drei Milliarden Franken (etwa 3,07 Milliarden Euro) unterstützt. Allerdings: Mehr als 80 Prozent dieser Summe gingen für die Aufnahme und Unterstützung von Ukrainern in der Schweiz drauf. Vor Kurzem nun kündigte die Schweizer Regierung ein neues Hilfspaket von insgesamt fünf Milliarden Franken an - verteilt jedoch auf die kommenden zwölf Jahre. Im Ukraine Support Tracker des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, in dem unter anderem der Anteil der Ukraine-Hilfen an der Wirtschaftsleistung verglichen wird, kommt die reiche Schweiz lediglich auf Platz 34 von 41.