KI könnte früher die Intelligenz der Menschen übertreffen als bisher gedacht

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Künstliche Intelligenz könnte früher die Fähigkeiten der Menschen übertreffen als bisher gedacht. Sie schreibt bald bessere Schulaufsätze oder Taylor-Swift-Songs. Aber sagt das tatsächlich etwas über Intelligenz aus?

Wann ist das «Gehirn» einer KI leistungsfähiger als das eines Menschen?

Zoonar / Imago

Maschinen werden immer klüger. Früher als gedacht könnten die Fähigkeiten von künstlicher Intelligenz denjenigen eines menschlichen Gehirns entsprechen. Das prognostizieren jedenfalls zahlreiche KI-Forscher.

In einer kürzlich veröffentlichten Umfrage wurden 2778 Wissenschafter im Bereich des maschinellen Lernens gefragt, wie schnell ihrer Ansicht nach die künstliche Intelligenz fortschreitet und wie bald sie erwarten, dass KI-Systeme den Menschen übertreffen werden.

Sie verorten die vollständige Automatisierung aller menschlichen Tätigkeiten im Jahr 2116, 48 Jahre früher als im vergangenen Jahr angenommen. Bereits 2047 sei die maschinelle Intelligenz so hoch entwickelt, dass sie in der Lage sei, «alle möglichen Aufgaben ohne fremde Hilfe besser und günstiger erledigen zu können als Menschen».

Wer Prognosen darüber anstellt, wann die künstliche Intelligenz die menschliche nachbilden kann, denkt auch darüber nach, was Intelligenz überhaupt bedeutet, und bewertet diese implizit. Den Begriff zu definieren, war schon immer ein kniffliges Unterfangen.

Es besteht weder Einigkeit darüber, worin sie besteht, noch darüber, wie geistige Fähigkeiten zu messen sind oder welchen Einfluss Intelligenz im Leben hat. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts arbeiten Psychologen an der Vermessung der Intelligenz. Der amerikanische Psychologe Edwin Boring stellte 1923 fest: «Messbare Intelligenz ist das, was Intelligenztests testen.»

Romane schreiben und Wäsche falten

In der Studie der KI-Forscher festgemacht wurden 39 Meilensteine, die eine Art Intelligenztest für die KI darstellen. Die meisten Fähigkeiten davon soll die KI mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit innerhalb von zehn Jahren erreichen.

Typisch sind Aufgaben wie das Beantworten von Wissensfragen oder das Lösen von mathematischen Problemen. Dazu gehören aber auch das Übersetzen in andere Sprachen, das Schreiben von Schulaufsätzen, das Verfassen eines «New York Times»-Bestsellers, das Produzieren eines Pop-Songs, den Hörer von einem neuen Song von Taylor Swift, zum Beispiel, nicht unterscheiden können. Und es werden Arbeiten umfasst, die Entwicklungen in der Robotik voraussetzen, etwa die Tätigkeit als Chirurg.

Weniger schnell als gedacht wird die KI die Fähigkeit erlangen, Wäsche zu falten, einen Truck zu fahren, Lego nach Anleitung zu bauen oder lange Listen zu sortieren.

Folgt man Borings Definition von Intelligenz, so wird diese durch Leistung ausgedrückt. Intelligenz sei ganz einfach «power», die Menge an Arbeit, die in einer bestimmten Zeit erbracht werden könne.

Tatsächlich wäre dann KI intelligenter als der Mensch, wenn sie lernt, Text zu transkribieren, und rascher Text übersetzt als ein Amateur, der fliessend in einer Sprache ist. Es ist plausibel, dass das «Gehirn» einer KI eines Tages mehr Daten speichern und verarbeiten kann als ein Mensch, schneller Informationen abruft, Rechnungen löst.

Gespür für die menschliche Interaktion

Ein paar Ziele mögen für einen Menschen hochgesteckt sein. Sie sind höher als jene, die er zu erreichen hat, um für seine Mitmenschen als intelligent zu gelten. Ein Mensch kann etwa intelligent sein, ohne dass er einen Roman geschrieben hat. Und von den sieben ungelösten Fragen der Mathematik, die als Millennium-Probleme bekannt sind, konnte erst eine durch einen Menschen gelöst werden. Aber auch das ist ein Meilenstein.

Ob die 39 Meilensteine relevante Probleme sind, die es mit der Leistungsfähigkeit eines Computers zu lösen gilt, sei dahingestellt. Sie sind ziemlich spezifisch. Intelligenz ist aber eine sehr generelle geistige Kompetenz. Zu dieser Fähigkeit gehört, «zu schlussfolgern, zu planen, Probleme zu lösen, abstrakt zu denken, komplexe Ideen zu verstehen, schnell zu lernen und von Erfahrungen zu lernen», sagt die amerikanische Psychologin Linda Gottfredson. Intelligenz reflektiere ein breites und tiefes Vermögen, unsere Umwelt zu verstehen, Sinn in den Dingen zu erkennen.

Vielleicht deshalb sind viele der Meilensteine im Bereich der Kulturtechniken angesiedelt. Um zum Beispiel Text in eine unbekannte Sprache zu übersetzen, muss man verstehen, wie Sprachen funktionieren. Einer der Meilensteine verlangt auch, dass die KI eine telefonische Bankdienstleistung anbieten kann. Und zwar wie ein menschlicher Mitarbeiter, «ohne die Kunden mehr zu belästigen». Dafür braucht es ein Gespür für die menschliche Interaktion.

Aber reichen die 39 Inselbegabungen wirklich aus, um zu erlangen, was wir Intelligenz nennen? Ist die menschliche Intelligenz nicht vielseitiger, komplexer?

Empathie und Selbstbewusstsein fehlt

Die Studie geht scheinbar von einem kühl, logisch und rational handelnden Menschen aus und lässt damit eine andere Art von Intelligenz völlig ausser acht.

Getestet wird zwar auch eine Art motorische Intelligenz. Etwa die Fähigkeit, mit einem zweibeinigen Roboterkörper bei einem 5-Kilometer-Stadtwettlauf gegen die schnellsten Läufer zu gewinnen.

Es gibt aber wohl auch eine Intelligenz, die mehr gefühlsbetont und intuitiv abläuft. Die soziale und die emotionale Intelligenz, die Kompetenz, andere Personen wahrzunehmen und zu verstehen und in menschlichen Beziehungen klug zu handeln.

Anders als vom denkenden Menschen wird von der künstlichen Intelligenz nicht erwartet, dass sie Grundsätze und Werte hat, kritisch Stellung zu einem Thema nehmen kann. Die künstliche Intelligenz soll intelligent sein, obwohl sie gleichgültig ist, obwohl sie Befehlen folgt.

Das, was allgemein als Unterschied zwischen Tier und Mensch verstanden wird, das Selbstbewusstsein und die Fähigkeit des Menschen nach ethisch-moralischen Prinzipien zu handeln, fehlt auch der künstlichen Intelligenz.

Ob man das nun gut oder schlecht findet, die Studie ist ein Intelligenztest. Wenn Intelligenz das ist, was Tests testen, und die KI diesen besteht, stimmt das doch optimistisch. Denn Intelligenz wird oft als kognitive Fähigkeit, ein Problem zu lösen, zusammengefasst. Erreicht die KI schneller menschliche Intelligenz, werden auch die grössten Herausforderungen der Welt schneller gelöst.

Die Wissenschafter zeichnen allerdings ein düsteres Bild der Zukunft. Sorgen bereitet ihnen die Verbreitung von Fehlinformationen, dass autoritäre Herrscher KI benutzen, um die Bevölkerung zu kontrollieren, oder KI die Ungleichheit verschärft. 58 Prozent der Forscher gaben sogar an, dass KI mit einer fünfprozentigen Chance die Menschheit aussterben lässt.