Die Türkei leidet unter Mega-Inflation 

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Erdogan hat ein Problem   Die Türkei leidet unter Mega-Inflation 

Von Jan Gänger 03.05.2024, 17:08 Uhr Artikel anhören

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Die Inflation in der Türkei gewinnt an Fahrt und nähert sich der Marke von 70 Prozent. Die Zentralbank hofft, dass sie sich bis Jahresende halbiert. Derweil verliert die Landeswährung Lira an Wert. 

Die Türkei bekommt die hohe Inflation nicht unter Kontrolle. Im April lagen die Verbraucherpreise um 69,8 Prozent über dem Niveau des Vorjahres, wie das Statistikamt mitteilte. Das ist die höchste Rate seit Ende 2022. Im März hatte die Teuerungsrate noch bei 68,50 Prozent gelegen.

Allein von März auf April zogen die Preise um rund 3,2 Prozent an. Vor allem für Bildung, Gesundheit, Verkehr, alkoholische Getränke und Tabak sowie für Übernachtungen in Hotels und Besuche von Cafés und Restaurants musste mehr Geld ausgeben werden.

Die Notenbank des Landes stemmt sich mit hohen Leitzinsen gegen die Teuerung. Allerdings liegt der wichtigste Notenbankzins mit 50 Prozent immer noch deutlich niedriger als die Inflationsrate. Der reale Leitzins ist damit negativ, wodurch die Wirtschaftsaktivität - und damit auch die Inflation - eher angeschoben als gebremst wird.

Im März hatte die Notenbank die Leitzinsen überraschend von 45 auf 50 Prozent angehoben. Angesichts der verzögerten Wirkungen von Zinserhöhungen sei nun aber beschlossen worden, den Leitzins unverändert zu belassen. Die Zentralbank geht davon aus, dass die Teuerungsrate im Mai mit 73 bis 75 Prozent ihren Höhepunkt erreichen könnte. Am Jahresende soll sie mit 36 Prozent nur noch etwa halb so hoch ausfallen.

Inflation schadet Erdogan

Der negative Realzins gilt allerdings als ein wichtiger Grund für die schwache Landeswährung Lira, da er eine Finanzanlage in der Türkei für ausländische Anleger unattraktiver macht. Der Wechselkurs der Lira bewegt sich sowohl gegenüber dem US-Dollar als auch dem Euro in der Nähe jeweiliger Rekordtiefs. Die schwache Landeswährung verteuert eingeführte Güter und Dienstleistungen und heizt so die Inflation im Land an.

Die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten gelten als ein Grund für die Niederlage der AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan bei den Kommunalwahlen vor wenigen Wochen. In zahlreichen Großstädten - darunter in Istanbul - konnte sich die Opposition durchsetzen.

Nachdem die Geldentwertung in der Türkei 2022 noch Werte über 80 Prozent erreicht hatte, war die Inflation im Verlauf des vergangenen Jahres spürbar gesunken. Zeitweise wurden Inflationsraten von unter 40 Prozent erreicht, bevor sich die Teuerung seit dem vergangenen Sommer wieder verstärkte.

Das Inflationsproblem in der Türkei ist zum Großteil hausgemacht: Bis zu seiner Wiederwahl hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan eine lockere Geldpolitik der - nur formal unabhängigen - Notenbank durchgesetzt, obwohl die Inflation außer Kontrolle zu geraten drohte.

"Mutter allen Übels"

Erdogan bezeichnet sich als "Zinsfeind", sieht in Zinsen die "Mutter allen Übels" und behauptet entgegen den praktischen Erfahrungen der Vergangenheit und der ökonomischen Lehre, dass niedrige Zinsen für niedrige Inflation sorgen und hohe Zinsen für hohe Inflation.

Um diese unorthodoxe Geldpolitik durchzusetzen, feuerte Erdogan mehrere Notenbankchefs und Finanzminister, bis er einen Notenbankgouverneur fand, der seinen Wunsch nach niedrigen Zinsen erfüllte. Zwischendurch musste der Leiter der Statistikbehörde gehen. Erdogan hatte ihm vorgeworfen, er habe das Ausmaß der Inflation übertrieben dargestellt.

Wenige Tage nach Beginn seiner dritten Amtszeit zog Erdogan im vergangenen Sommer die geldpolitische Notbremse und setzte Hafize Gaye Erkan als Chefin der Zentralbank ein. Sie schraubte die Leitzinsen nach oben, musste aber nach wenigen Monaten nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft zurücktreten. Der neue Zentralbankchef Fatih Karahan trat im Februar sein Amt an und hat angekündigt, den straffen Kurs im Kampf gegen die Inflation fortzusetzen.