„Ich dachte, meine Zeit ist abgelaufen": Neuer Super-Herzschrittmacher rettet Münchnerin

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Stand: 03.05.2024, 20:44 Uhr

Von: Andreas Beez

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Die Münchnerin Maria Baumann (70) ist dank einer spektakulären Doppel-Operation im Deutschen Herzzentrum München gerettet worden.

München - Eine schwere Krankheit kann auch eine Chance sein. So sieht es jedenfalls Maria Baumann. Nach einem jahrelangen Herz-Drama genießt sie ihr Leben jetzt bewusster als jemals zuvor. Dieses späte Glück hat die 70-Jährige ihrer beeindruckenden Willensstärke und einer Doppel-OP im Deutschen Herzzentrum München zu verdanken. In unserem großen Report erzählt die Münchnerin, wie ihre Rettung gelang und was sie während ihrer Leidenszeit über sich selbst gelernt hat.

Herz-Drama nur nur eine Woche vor dem Rentenbeginn

Maria Baumann stand kurz vor der Rente. Sie freute sich auf mehr Freizeit mit ihrer Familie, gute Bücher, Tanzabende und Kochsessions mit Freunden. Doch dann machte ihr die Gesundheit einen dicken Strich durch die Rechnung. „Eine Woche vor meinem geplanten letzten Arbeitstag bin ich so schwer krank geworden, dass ich ins Krankenhaus musste", erinnert sich die Münchnerin. Mit der Rente begann ein jahrelanges Herz-Drama. Gefühlt stand die 70-Jährige bereits mit einem Bein im Jenseits. Doch Baumann gab nie auf - bis heuer eine Doppel-Operation im Deutschen Herzzentrum München das Glück zurück in ihr Leben brachte. Dort setzte ihr ein Spezialistenteam um Professor Markus Krane zunächst eine neue Herzklappe ein und reparierte zudem eine andere Herzklappe. In einem weiteren Eingriff bekam die Patientin einen besonderen Hightech-Herzschrittmacher. „Heute geht es mir wieder sehr, sehr gut und ich bin dankbar dafür, dass ich noch mal eine neue Chance bekommen habe."

Maria Baumann zeigt ein Modell ihres neuen Hightech-Schrittmachers. Er ist viel kleiner als das herkömmliche Modell, das der Herzchirurg Professor Markus Krane in der Hand hält. Auch Pflegekraft Joy Oclarit (rechts) freut sich, dass es der Münchnerin wieder gut geht. © Dr. Elda Dzilic/Herzzentrum

Münchnerin berichtet von starken Schmerzen und großer Verzweiflung

Sie sagt diese Sätze nicht nur so dahin, Baumann spürt ihr neues Glück mit jeder Faser ihres Körpers. „Und zwar deshalb, weil mir bewusst ist, wie es um mich stand. Die Schmerzen waren furchtbar und meine Verzweiflung groß. Es gab Momente, in denen ich dachte, meine Zeit auf Erden sei abgelaufen." Wie sich die Schattenseite des Lebens anfühlt, hat Baumann schon früh erfahren müssen. Sie wuchs in Brasilien auf, genauer gesagt in einem Dorf bei Fortaleza im Nordosten. „Als Kind war ich oft krank, hatte immer wieder starkes Fieber. Aber einen Arzt oder wenigstens Medikamente gab es nicht. Wir hatten nur Tee und Kräuter." Heute vermutet Baumann, dass die häufigen schweren Infekte ihr Herz geschädigt haben. Bakterien können sich an den Herzklappen ansiedeln und diese schwer angreifen.

Renommierte Spezialklinik: Im Deutschen Herzzentrum München wurde Werner Stephan Pintér operiert. © Foto: Andreas Beez

Maria Baumann: „Mein Herz pulsierte so stark, dass ich einen Herzinfarkt befürchtete"

Zwar erholte sich Baumann als Kind immer wieder, wurde erwachsen. 1984 kam sie nach München. Doch mit den Jahren machte ihr Herz immer größere Probleme. „Die Atemnot nahm zu, ich fühlte mich oft schlapp." Doch trotz ihrer Einschränkungen ging die Münchnerin stets zur Arbeit, 29 Jahre lang war sie beim Touristikunternehmen FTI beschäftigt. „Ich dachte, ich muss funktionieren. Bei mir musste alles immer schnell gehen und perfekt sein. Das war ein Fehler, der mir erst im Nachhinein klar geworden ist. Ich hätte mehr auf die Signale meines Körpers hören, einen besseren Kompromiss zwischen Pflichterfüllung und Gesundheit finden müssen." Kurz vor der Rente baute Baumann immer mehr ab. „Ich konnte damals kaum noch laufen, habe keine Luft mehr bekommen." Dazu kam Vorhofflimmern, eine Herzrhythmusstörung. „Das war einfach nur schrecklich. Mein Herz pulsierte manchmal so wild, dass ich dachte, ich bekomme einen Herzinfarkt."

„Ich dachte, ich muss funktionieren. Bei mir musste alles immer schnell gehen und perfekt sein. Das war ein Fehler, der mir erst im Nachhinein klar geworden ist.

Professor Markus Krane setzte eine neue Herzklappe aus Gewebe vom Schwein ein

Ihr Kardiologe Dr. Stefan Birkmeier, der im Münchner Süden in der Kistlerhofstraße praktiziert, stellte Erkrankungen an zwei Herzklappen fest: Die Mitralklappe war verengt - in der Fachsprache Stenose genannt. Zudem war die Trikuspidalklappe undicht. Deshalb überwies der Herzspezialist Maria Baumann ins Deutsche Herzzentrum. „Weil sich Frau Baumanns Mitralklappe nicht richtig öffnete, staute sich Blut in der Lunge zurück. Zudem schloss ihre Trikuspidalklappe nicht richtig, so dass sich Blut in ihren Beinen zurückstaute", erklärt Professor Markus Krane, Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie. In einer mehrstündigen OP setzte der Herzchirurg der Patientin eine biologische Prothese ein - eine künstliche, aus Gewebe vom Schwein gefertigte Mitralklappe.

Herzchirurg vom Deutschen Herzzentrum erklärt erhöhtes Schlaganfall-Risiko

Die ebenfalls erkrankte Trikuspidalklappe rekonstruierte Krane mit einer speziellen Technik. Zudem verschloss er das linke Vorhofohr. „Darin können sich Blutgerinnsel bilden, die mit dem Blutfluss ins Gehirn geschwemmt werden und dort einen Schlaganfall auslösen können", erläutert Krane. Bei Patienten mit Vorhofflimmern wie Maria Baumann ist dieses Schlaganfall-Risiko deutlich erhöht. Weil die Münchnerin eine sehr geringe Herzfrequenz hatte, setzten die Spezialisten zudem einen speziellen Herzschrittmacher ein.

Schwerkranke Patientin musste auch noch eine Influenza und einen Eingriff am Bein durchstehen

Von den aufwändigen Eingriffen erholte sich Maria Baumann schnell, schon nach vier Tagen konnte sie die Intensivstation verlassen, blieb danach für weitere zehn Tage im Herzzentrum. Doch dann hatte die Patientin gesundheitlich immer noch nicht alles überstanden. Nach der OP musste sie auch noch eine Influenza-Infektion und einen Eingriff wegen einer Erkrankung am Bein durchstehen.

Ein neues Leben zum 70. Geburtstag: Maria Baumann fühlt sich seit ihrer schweren Herz-OP wieder sehr gut. © privat

Maria Baumann ist ein ermutigendes Beispiel dafür, dass Aufgeben keine Option ist

Trotzdem hadert Maria Baumann nicht mit ihrem Schicksal - im Gegenteil: „Heute bin ich sogar dankbar für diese Krankheit, weil ich dadurch viel über mich gelernt habe. Ich lag lange im Bett und hatte viel Zeit zum Nachdenken. Dadurch habe ich wertvolle Erkenntnisse gewonnen, auch Fehler in meinem Leben korrigiert und meine Einstellung verändert. Heute bin ich zufriedener und gelassen, habe beispielsweise Frieden mit allen Menschen geschlossen, mit denen ich mal Probleme hatte. Das wäre vor der Krankheit für mich unmöglich gewesen." Und eine Botschaft an Leidensgenossen ist ihr ganz wichtig: „Auch wenn man die Sonne gerade nicht sieht - Aufgeben ist keine Option. Es gibt noch so viel Schönes zu erleben." Maria Baumann ist ein ermutigendes Beispiel dafür.

So funktioniert der neue Super-Schrittmacher

Schritttmacher ohne Sonde: Der Micra wird mithilfe eines dünnen Katerschlauchs durch die Leistenvene direkt in die rechte Herzkammer transportiert und dort verankert. © ZEICHNUNG: TEODORA GEORGESCU/HERZZENTRUM

Wenn das Herz zu schnell, zu langsam oder unregelmäßig schlägt, sprechen Mediziner von Herzrhythmusstörungen. In manchen Fällen brauchen die Patienten einen Herzschrittmacher. „Er sendet elektrische Impulse an das Herz, um eine normale Herzfrequenz aufrechtzuerhalten", erklärt Professor Markus Krane. Normalerweise wird der Herzschrittmacher - ein kleines, nur etwa 20 bis 30 Gramm schweres Gerät mit einem Titangehäuse - im Brustbereich unter die Haut gesetzt, meinst etwas unterhalb des Schlüsselbeins. Normalerweise ist der Schrittmacher über Drähte oder Elektroden mit dem Herzen verbunden. Doch bei Maria Baumann setzten die Spezialisten einen neuartige Hightech-Variante ein.

Dieser sogenannte Micra-Herzschrittmacher ist wesentlich kleiner als herkömmliche Modelle, hat ungefähr die Größe einer Vitaminkapsel. Der Micra wird mithilfe eines dünnen Katherschlauchs durch die Leistenvene direkt in die rechte Herzkammer transportiert und dort verankert. „Deshalb kommt dieses System ohne eine Elektrode aus, die die elektrischen Signale vom Schrittmacher zum Herzen weiterleitet. Bei Frau Baumann bot sich diese Lösung an, da wir dadurch keine Elektrode über ihre reparierte Trikuspidalklappe legen mussten. Weil keine Elektroden durch die Blutgefäße ins Herz geführt werden müssen, verringerte sich auch das Blutungs- und Infektionsrisiko", erläutert Herzchirurg Krane.

Herkömmlicher Herzschrittmacher: Der sogenannte Einkammerschrittmacher ist über eine Sonde mit dem Herzen verbunden. © ZEICHNUNG: TEODORA GEORGESCU/HERZZENTRUM

Der neue Super-Schrittmacher hat eine lange Lebensdauer, Experten schätzen die Haltbarkeit der Batterie auf sechs bis zehn Jahre. Danach ist wie bei einem herkömmlichen Schrittmacher unter Umständen ein weiterer Eingriff nötig, um den Micra auszutauschen. „Ob der sondenlose Schrittmacher oder ein herkömmliches Modell die beste Behandlungsoption ist, hängt vom Einzelfall ab. Generell sind Herzschrittmacher aber sehr gut erprobte und hocheffektive Geräte mit einem geringen Komplikationsrisiko", betont Krane.