USA liefern zügig Waffen, Deutschland mauert bei Taurus

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Pistorius bei Maischberger USA liefern zügig Waffen, Deutschland mauert bei Taurus

Von Marko Schlichting 25.04.2024, 06:05 Uhr Artikel anhören

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Nach der Freigabe eines 61 Milliarden Dollar umfassenden Ukraine-Hilfspakets aus den USA schließt Bundesverteidigungsminister Pistorius Lieferungen von Taurus-Marschflugkörpern aus Deutschland weiter aus. Kiew werde man weiterhin voll unterstützen, aber auch die Landesverteidigung muss wieder in den Fokus rücken.

Lange hat es gedauert. Doch nun haben das Repräsentantenhaus und der Senat in Washington ein Hilfspaket von rund 61 Milliarden Dollar für die Ukraine freigegeben. US-Präsident Joe Biden hat das entsprechende Gesetz unterschrieben. Die Waffenlieferungen sollen "sofort, in den nächsten Stunden" beginnen, sagte Biden im weißen Haus. Zuvor hatten die USA der Ukraine bereits Kurzstreckenraketen vom Typ ATACMS mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern geliefert. Sie sind Teil eines Hilfspakets vom vergangenen Monat und seien diesen Monat in der Ukraine angekommen, sagte ein Sprecher des Pentagon.

"Das sind Rüstungsgüter und Waffen und Unterstützung, die die Ukraine dringend braucht", erklärt Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, der am Mittwochabend zu Gast in der ARD-Talkshow "Maischberger" ist. Allerdings habe er nicht das Gefühl, dass die russische Armee vor einem Durchbruch stehe. "Die Russen werfen viel in die Waagschale. Sie benutzen Menschen im schlimmsten Sinne des Wortes als Kanonenfutter. Verluste spielen keine Rolle", so Pistorius. "Die Ukrainer wehren sich auf unvorstellbar mutige, tapfere, aber auch kluge Art und Weise. Aber was ihnen fehlt, und das wird nun wieder deutlich, sind genügend Systeme für die Luftverteidigung, für die Flugabwehr, also für die Angriffe auf die Infrastruktur." Die habe Deutschland geliefert. In Kürze werde Deutschland der Ukraine ein drittes Patriot-System zur Verfügung stellen. "Das ist das, worauf es jetzt ankommt, um die Infrastruktur zu schützen", sagt Pistorius.

Laut dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj braucht die Ukraine 26 Patriot-Systeme, um die Ukraine komplett zu schützen, aber mindestens 10, um sie effektiver zu schützen. Die sollen mit der Unterstützung der Partner in der EU und der NATO zur Verfügung gestellt werden. Eine Zusage gibt es jedoch noch nicht, obwohl Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Verteidigungsminister Pistorius dies in einem Brief gefordert haben. "Wir telefonieren unsere jeweiligen Kollegen gerade ab und machen sehr deutlich, dass wir das erwarten", sagt Pistorius.

Ein Grund für die bisherige Weigerung der Partner könne sein, dass sie auf Nachschub des amerikanischen Herstellers warten wollten. Deutschland habe schon reagiert und vier weitere Patriot-Systeme bestellt, ein weiterer Vertrag sei in Vorbereitung. "Aber es dauert eben drei Jahre, bis sie geliefert werden", so Pistorius.

Obwohl der ukrainische Präsident Selenskyj betont hat, er brauche Langstreckenwaffen und Artillerie, bleibt Deutschland weiter dabei: Taurus-Marschflugkörper werden nicht geliefert, bekräftigt Pistorius bei "Maischberger". Die Gründe dafür sind vor allem die deutlich höhere Reichweite der Taurus-Waffen, zum anderen sei da auch die nationale Verteidigung zu nennen. Wie schutzlos Deutschland ohne die Marschflugkörper sei, sagt Pistorius nicht. "Wir müssen jetzt wirklich mal lernen, mit Angelegenheiten der nationalen Sicherheit auch so umzugehen, das heißt, sie entsprechend zu behandeln."

"Russland rüstet massiv auf"

Deutschland unterstütze die Ukraine massiv und werde das auch weiter tun, sagt Pistorius. Gleichzeitig müsse die Bundeswehr in einen Zustand versetzt werden, dass Landes- und Bündnisverteidigung wieder im Mittelpunkt stünden, und das brauche Zeit. "Russland rüstet massiv auf", sagt Pistorius. Viele Waffen gingen dabei nicht an die Front, sondern in Depots. "Das macht Putin, weil er im Zweifel etwas vorhat oder vorhaben könnte."

Pistorius will dafür sorgen, dass die NATO für den Fall eines russischen Angriffs auf ein Mitgliedsland verteidigungsfähig ist. "Deshalb geben wir wirklich Gas und tun alles, was wir können, um die Streitkräfte in der NATO und in Europa entsprechend auszustatten." Pistorius befürchtet, dass Russland in fünf bis acht Jahren so weit sein könnte, ein NATO-Land anzugreifen. "Aber ich gebe zu: Das kann keiner genau sagen. Und weil das keiner genau sagen kann, kommt es jetzt nicht darauf an zu spekulieren, wie viel Zeit wir übern Daumen haben, sondern wir sollten jetzt schleunigst alles tun, was wir können - und schaffen, an den Punkt zu kommen."

Darum müsse die Bundeswehr reformiert werden. Dazu habe er innerhalb des letzten Jahres vieles in die Wege geleitet, sagt Pistorius. So sei durch eine klare dienstliche Anweisung an alle Dienststellen festgelegt worden, dass bei der Bestellung neuer Waffensysteme der Faktor Zeit die erste Priorität haben müsse, zudem gehe es darum, bereits vorhandene Systeme zu bestellen. Dadurch hätten sich Waffenbestellungen deutlich beschleunigt.

Für die Unterstützung der Ukraine müsse ein zweistelliger Milliarden-Betrag, für die Reform der Bundeswehr gar ein dreistelliger Milliarden-Betrag ausgegeben werden, rechnet Pistorius vor. Um dieses Geld zur Verfügung zu stellen, solle es keine Einsparungen im Sozialbereich geben. Entsprechende Gespräche werde er demnächst mit Bundesfinanzminister Christian Lindner führen.

Und noch etwas soll schnell geklärt werden: Die Einführung der Wehrpflicht. Das wird nicht einfach, weiß Pistorius. So seien mit der Aussetzung der Wehrpflicht sämtliche Kreiswehrersatzämter aufgelöst worden. Würde die Wehrpflicht alten Stils wieder eingeführt werden, würde das einen Milliarden-Betrag verschlingen. Wie eine Wehrpflicht in Zukunft aussehen soll, überlegt Pistorius gerade. Im Mai wolle er entsprechende Vorschläge präsentieren.