Putin in der Zwickmühle: Russlands Wirtschaft steht kurz vor Zuständen wie in der Sowjetunion

→ Оригинал (без защиты от корпорастов) | Изображения из статьи: [1] [2]

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Stand: 08.05.2024, 18:00 Uhr

Von: Amy Walker

KommentareDrucken

Trotz eines prognostizierten BIP-Wachstums leidet Russland unter hoher Inflation und fehlenden Einnahmen. Die Zukunft der Kriegsfinanzierung bleibt ungewiss.

Moskau - Innerhalb weniger Jahre hat sich die Wirtschaft Russlands in eine Kriegswirtschaft verwandelt. Sie ist nun völlig abhängig von der Rüstungsproduktion, dem Handel mit China und dem fortlaufenden Öl- und Gasgeschäft, das trotz westlicher Sanktionen noch Käufer findet. Trotz einer Prognose der Weltbank, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr bei 3,2 Prozent liegen könnte, ist die wirtschaftliche Situation in Russland alles andere als rosig. Mit einer extrem hohen Inflation, der Angst vor Enteignungen und einem Mangel an Arbeitskräften aufgrund der Einberufung, sieht sich das Land mit immer größeren Herausforderungen konfrontiert.

Russlands Wirtschaft verliert an Bedeutung: Inflation bleibt hoch

Newsweek berichtet, dass die russische Wirtschaft ab 2025 und dann stetig bis zum Ende des Jahrzehnts schrumpfen wird. Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) wird das BIP im kommenden Jahr nur noch 1,8 Prozent betragen. Eine Kriegswirtschaft ist keine nachhaltige Wirtschaft und solange Präsident Wladimir Putin seinen blutigen Krieg in der Ukraine fortsetzt, wird die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Konflikt weiter zunehmen. Trotz drastischer Zinserhöhungen durch die russische Zentralbank im vergangenen Jahr bleibt die Inflationsrate bei acht Prozent. Für 2024 erwartet die Zentralbank eine durchschnittliche Teuerungsrate von 4,8 Prozent.

Es bleibt ungewiss, wie Putin seinen Krieg über das Jahr 2024 hinaus finanzieren will. Der russische Wirtschaftswissenschaftler Igor Lipsiz sagte Anfang April in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ): „Mir und auch anderen Ökonomen scheint, dass Russland in diesem Jahr den Krieg noch finanzieren kann." Doch danach ist unklar, „wo das Geld herkommen soll."

Russlands Präsident Putin kann den Ukraine-Krieg nicht verlieren. © Pavel Bednyakov/dpa

Die Einnahmequellen des Staates brechen immer mehr weg, was sich jetzt erst richtig zeigt. Gazprom ist ein Beispiel dafür, das 2023 zum ersten Mal in seiner Geschichte Verluste verzeichnete. Der Staat macht stattdessen immer mehr Schulden, deren Rückzahlung in naher Zukunft den Haushalt stark belasten wird. Ein großes Problem ist laut Experten der aktuelle Fachkräftemangel, der durch die Mobilmachung in Russland nur noch verschärft wurde. „Der Staat baut den Rüstungssektor aus, der sich dann wie ein Krebsgeschwür die gesunden Zellen der zivilen Wirtschaft einverleibt", sagt auch Igor Lipsiz.

Putin wird alles tun, um den Krieg gegen die Ukraine zu gewinnen

Lipsiz erwartet, dass Putin und seine Machtstruktur alles tun werden, um weiter Geld für den Ukraine-Krieg zu beschaffen - auch wenn dadurch das Finanzsystem zusammenbricht oder die Renten der Bevölkerung gekürzt werden. Bereits jetzt werden die Renten laut Lipsiz nicht so angepasst, wie sie angesichts der hohen Inflationsrate sollten.

Vasily Astrov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) teilt diese Einschätzung. Er glaubt, dass Putin immer einen Weg finden wird, den Krieg fortzusetzen. „Putin wird das Geld für den Krieg nicht ausgehen", sagte der Russland-Experte letzte Woche. „Für die russische Wirtschaft stellt sich eher die Frage, was nach dem Krieg kommt, da sie momentan vollkommen von ihm abhängig ist", fügte Astrov hinzu.

Aufgrund des Fachkräftemangels und der staatlich gesteuerten Kriegswirtschaft sind die Reallöhne in Russland im vergangenen Jahr um fast acht Prozent gestiegen, während der private Konsum um 6,5 Prozent zugenommen hat, so ein Bericht des auf Osteuropa spezialisierten Instituts.

Russlands Wirtschaft: Putin nimmt Opfer in Kauf

Allerdings glaubt Igor Lipsiz nicht, dass sich an Putins Macht etwas ändern wird, sollten die wirtschaftlichen Probleme noch deutlicher in der Bevölkerung ankommen. „Keine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage wird zu Massenprotesten führen. Auch wenn Nahrungsmittel wie in der Sowjetunion wieder nur auf Marken gekauft werden können, was ich schon bald für möglich halte, wird das Volk es aushalten. Die Leute hungern dann eben, Rentner nehmen nur noch billige Medikamente und sterben einfach. Die politische Situation wird sich nicht ändern", sagte er der FAZ.