Hessen: Corona-Untersuchungsausschuss wird kommen

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Die AfD-Fraktion hat genug Stimmen, um einen Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung der Pandemie-Politik im Land zu beantragen. Worum es gehen soll.

24. April 2024 - 15:13 Uhr

Wiesbaden. Die Stimmen eines Fünftels aller 133 Abgeordneten im hessischen Landtag braucht es, um einen Untersuchungsausschuss zu beantragen. Die notwendigen Unterschriften, 27 insgesamt, hat die AfD-Fraktion jetzt zusammen und wird einen Antrag für die Einsetzung eines Ausschusses, der die Corona-Politik der hessischen Landesregierung beleuchtet, beim nächsten Landtagsplenum im Mai einreichen. Die AfD-Fraktion verfügt nur noch über 26 Parlamentarier und war deshalb auf eine Stimme außerhalb der Fraktion angewiesen.

Weil - trotz eines Bittbriefes an alle Landtagsabgeordneten vom AfD-Fraktionsvorsitzenden Robert Lambrou - sich kein Abgeordneter aus den anderen Parteien für die nötige Unterschrift fand, war die AfD auf ihr ehemaliges Mitglied Sascha Herr angewiesen. Der wurde wegen nachweislicher Kontakte zur Neonazi-Szene nach der Landtagswahl nicht in die Fraktion aufgenommen. Seine Unterschrift wird die AfD nutzen, dies sei aber „keine Zusammenarbeit", betont Lambrou, „inhaltlich hat Sascha Herr nicht an dem Antrag mitgearbeitet".

Schulschließungen, Impfungen und Wirtschaftshilfen sollen untersucht werden

34 Fragen hat die Fraktion vorbereitet, zu Themen wie Schulschließungen und Impfungen, erklärt Volker Richter, gesundheitspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion. Die konkreten Fragen sollen aber erst in der kommenden Woche veröffentlicht werden, wenn der Antrag eingereicht wurde. Richter soll neben dem wirtschaftspolitischen Sprecher Andreas Lichert und Heiko Scholz, dem bildungspolitischen Sprecher, als Ausschussmitglied fungieren. 15 Mitglieder soll der Ausschuss nach dem AfD-Antrag haben, besetzt aus allen Landtagsfraktionen. „Das wird ein Langstreckenlauf, kein Sprint", kommentiert Lichert die avisierte Länge von „mehreren Jahren" für den Ausschuss.

Es gehe der AfD um eine „konstruktive Aufarbeitung" der Pandemie-Politik in Hessen, es solle „nicht in eine Schlammschlacht ausarten", „kein Tribunal" werden, betonen die Politiker bei der Vorstellung ihrer Pläne am Mittwoch. „Um ein mögliches zukünftiges Fehlverhalten seitens Regierungen zu verhindern", sagt Richter, der die Impfkampagne mit den „sogenannten Corona-Impfungen als den größten bislang bekannten medizinischen Feldversuch" bezeichnet.

Sie sollen die AfD-Fraktion beim Corona-Untersuchungsausschuss vertreten:

Bildergalerie: Mitglieder des AfD-Unteruschungsausschusses Hessen

Sachverständige und Experten, die in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zur Beurteilung herangezogen werden, wollte die Fraktion noch nicht benennen. Es sollen neben damals verantwortlichen Politikern und Ministeriumsmitarbeitern auch die in den gerade teils öffentlich gewordenen RKI-Protokollen erwähnten Fachleute sowie Ärzte zu Wort kommen. Lichert sagt: „Die Frage, ob es einen Anfangsverdacht gibt, dass gravierende Fehlentscheidungen getroffen wurden, kann man eindeutig mit Ja beantworten."

Die anderen Landtagsfraktionen äußern sich kritisch zu der AfD-Initiative - wollen aber konstruktiv mitarbeiten. Oliver Stirböck, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, sagt: „Die AfD will ein Gremium einsetzen, das stark auf die Vergangenheit fokussiert ist und mit einer Landesregierung abrechnen soll, die nicht mehr im Amt ist. Wenn es wirklich darum geht, aus der Corona-Zeit Lehren für künftige Pandemien zu ziehen, wäre ein anderes Gremium wie eine Enquete-Kommission auf Bundesebene wesentlich sinnvoller." Stirböck befürchtet, dass der Ausschuss „zur Bühne für Verschwörungstheoretiker und Aluhutträger" werde.

Unser Pro und Contra zur Aufarbeitung der Corona-Politik:

Andere Parteien wollen „konstruktiv mitarbeiten"

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Kathrin Anders, erklärt: „Einen Untersuchungsausschuss als Show-Veranstaltung der AfD und von Gnaden eines Abgeordneten mit Kontakten zur Neonazi-Szene braucht es in Hessen ganz sicher nicht." Der Ausschuss drohe „ein Forum für rechtspopulistisches oder rechtsextremes Gedankengut mit den damit verbundenen Verschwörungsmythen zu werden." Die SPD - während der Pandemie noch in der Opposition - sieht ebenfalls die Gefahr, „dass es der AfD mit dem Untersuchungsausschuss ‚Corona' nicht um Wahrheitsfindung geht, sondern darum, sich eine weitere Bühne für rechtspopulistisches Politiktheater zu bauen", sagt die gesundheitspolitische Sprecherin Daniela Sommer.

Die CDU-Fraktion erklärt, ein „Aufarbeitungsprozess" finde „bereits fortlaufend statt". Die Vize-Fraktionsvorsitzende Claudia Ravensburg sagt: „Für uns alle war die globale Corona-Pandemie eine Krise, für deren Bewältigung es keine Blaupause gab. Wir haben stets besonnen gehandelt und Entscheidungen basierend auf den damaligen Informationen und Risiken sorgfältig abgewogen." Die Pandemie-Maßnahmen seien bereits in vielen Ausschüssen analysiert und reflektiert worden.