„Das ist nicht Belarus, nicht Russland": Massenproteste in Georgien gegen „russisches Gesetz"

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Stand: 05.05.2024, 06:14 Uhr

Von: Mark Stoffers

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Tausende Menschen gehen in Putins Hinterhof auf die Straßen. Sie protestieren in Georgien gegen ein Gesetz, das den EU-Beitritt gefährden könnte.

Tiflis - Das „russische Gesetz" sorgt in Georgien weiter für Massenproteste. In der vergangenen Nacht gingen wieder tausende Menschen im Staat im Südkaukasus gegen das äußerst umstrittene Gesetz, das die Arbeit zahlreicher Nichtregierungsorganisationen und kritischer Medien erschweren könnte, auf die Straße. Im Zentrum der Hauptstadt Tiflis versammelten sich am Donnerstagabend erneut Tausende Menschen, um ihren Unmut über das Vorhaben der moskaufreundlichen Regierung zum Ausdruck zu bringen.

In den Augen der Demonstranten ist dadurch die EU-Perspektive ihres Landes gefährdet. Neben georgischen Flaggen schwenkten viele deshalb erneut auch EU-Fahnen.

Massenproteste in Georgien: Beobachter kritisieren „russisches Gesetz"

Das Gesetz, das am Vortag trotz Protesten die zweite Lesung im Parlament passierte, trägt den Namen „Über Transparenz ausländischen Einflusses". Es sieht vor, dass Nichtregierungsorganisationen, die mehr als 20 Prozent Geld aus dem Ausland erhalten, über die Herkunft Rechenschaft ablegen müssen.

Trotz des harten Vorgehens der Polizei kommt es weiterhin zu Massenprotesten in Georgien gegen das „russische Gesetz". © Zurab Tsertsvadze /dpa

Viele Beobachterinnen und Beobachter werfen der Regierung der Ex-Sowjetrepublik vor, sie habe das geplante Gesetz nach dem Vorbild eines russischen „Agenten"-Gesetzes ausgearbeitet, um die Arbeit kritischer Verbände und Medien zu behindern. In Russland sind zahlreiche Organisationen und auch Einzelpersonen als „ausländische Agenten" gebrandmarkt, was für die Betroffenen oft große Probleme mit sich bringt. Die Maßnahme gilt als Mittel politischer Repression, um Kritiker mundtot zu machen.

EU-Beitritt durch „russisches Gesetz" gefährdet: Massenproteste in Georgien bringen Sorge zum Ausdruck

In Georgien sorgt das „russische Gesetz" für Aufruhr. Falls es Mitte Mai auch in letzter Lesung angenommen wird, könnte dies den Weg für eine autoritäre Ausrichtung ebnen, obwohl das Land seit einigen Monaten EU-Beitrittkandidat ist. Ähnlich äußerte sich auch Anton Hofreiter zum „russischen Gesetz", das Georgien erschüttert. Der Grünen-Politiker meint zur Entwicklung in Georgien, dass die „Demokratie auf dem Spiel" stehe.

In Georgien und vor allem Tiflis wollen sich die Menschen durch die Massenproteste offenbar nicht einfache ihrem Schicksal und dem befürchteten Verfall der Demokratie ergeben. Einer von ihnen ist der Weinhersteller Tsotne Jafaridze. Er gehört zu den Protestierenden, die sich trotz der Wasserwerfer und des Tränengases gegen die Verabschiedung des „russischen Gesetzes" in Georgien auflehnen. „Das ist zu meiner Routine geworden", sagte er bei CNN. „Wenn wir unsere Freiheit jetzt nicht schützen - unsere europäische und westliche Zukunft - werden wir morgen in Russland aufwachen. Und das wird es dann sein."

„Das ist nicht Belarus, das ist nicht Russland": Massenproteste in Georgien sollen „russisches Gesetz" stoppen

Eine Meinung, die der georgische Weinhersteller offenbar mit tausenden seiner Landsleute teilt, die Abend für Abend gegen das „russische Gesetz" ihrer eigenen Regierung auf die Straße gehen. Da die Proteste keine Anzeichen einer Abschwächung zeigen, haben einige die Frage gestellt, ob sie sich zu einer Art Rebellion vor Russlands Haustür ausweiten könnten. „Wenn die Regierung dieses Gesetz jetzt nicht zurückzieht, solange sie noch die Chance dazu hat, wird es für sie schwer werden, die Wahlen zu erreichen. Es ist im Moment eine Spirale", sagte Natalie Sabanadze, die ehemalige Botschafterin Georgiens bei der EU, bei CNN.

Und auch Jafaridze macht deutlich, dass er das Land noch nie so vereint gesehen habe. Er ist davon überzeugt, dass die Massenproteste in Georgien die Verabschiedung des „russischen Gesetzes" verhindern werden. „Ich glaube nicht, dass es möglich ist, diese Menschen zu besiegen. Das ist nicht Belarus. Das ist nicht Russland."

Massenproteste in Georgien: Medien in Russland machen Stimmung gegen „Musterschüler" der USA

Im Russland von Machthaber Wladimir Putin schauen die Medien mit wachsender Besorgnis auf die Massenproteste in Georgien. Die russische Tageszeitung Moskowski Komsomolez schrieb zu dem Konflikt über das „russische Gesetz" beispielsweise, dass Georgien „irgendwann einmal ‚Musterschüler' der USA im postsowjetischen Raum" gewesen sei.

Aber heute sei das Land ein Beispiel dafür, wie man überleben und Erfolg haben kann, wenn sich die beiden „großen Brüder" - der ehemalige in der Gestalt von Moskau und der heutige in der Gestalt Washingtons - im Zustand eines hybriden Kriegs befinden. Aber vor den für den Herbst geplanten Parlamentswahlen ist der pragmatische und ausgewogene Kurs von Tiflis in Gefahr. Die Protestierenden auf den Straßen von Tiflis sehen das offenbar anders. Daran ändert wohl auch das harte Vorgehen der georgischen Polizei, das international in die Kritik geraten ist, nichts.