Für das Klima streut ein Startup Gesteinsmehl auf Äcker, wo es CO2 bindet

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Basaltmehl macht den Boden fruchtbarer und bindet Kohlendioxid. Darum streut eine deutsch-brasilianische Firma das Mehl auf Äcker. Der Aufwand soll mit CO2-Emissions-Zertifikaten beglichen werden.

Das Startup InPlanet verteilt in Brasilien Gesteinsmehl auf landwirtschaftlichen Flächen.

InPlanet

Diese Idee für den Klimaschutz klingt kurios, ist aber ernst gemeint: Firmen wie das Münchener Startup InPlanet verteilen gemahlenes Gestein auf Äckern, um Kohlendioxid aus der Luft zu binden und zusätzlich den Boden zu düngen. Auf diese Weise möchten solche Firmen die Erderwärmung bremsen. Noch ist InPlanet abhängig von Kapitalgebern, langfristig soll die Finanzierung aber über den Verkauf von CO2-Zertifikaten gelingen.

Die Methode ist der Natur abgeschaut. Bei der Verwitterung von Gesteinen wird viel Kohlenstoff umgesetzt. Zunächst gelangt das CO2 aus der Luft mittels Regentropfen auf den Fels, wo Minerale gelöst und fortgespült werden. Mit dem Wasser fliesst auch der gelöste Kohlenstoff in Richtung Ozean und bleibt dort über Jahrtausende gespeichert - zum Beispiel, indem neuer Kalkstein entsteht. Jedes Jahr werden der Atmosphäre so schätzungsweise 1,1 Milliarden Tonnen CO2 entzogen.

Mit einer «beschleunigten Verwitterung» liesse sich womöglich dem Klima helfen. Darum forschen Wissenschafter seit längerem zum «enhanced rock weathering» (ERW), wie es im Fachjargon heisst. Je nach Modellberechnung liegt das Potenzial bei 0,5 bis 4 Milliarden Tonnen zusätzlicher CO2-Entfernung pro Jahr.

Gut geeignet ist Basalt, ein schwarz-graues Vulkangestein, das weltweit vorkommt. Er sollte gemahlen werden, denn viele kleine Körnchen haben zusammengenommen eine weitaus grössere Oberfläche als ein einzelner Felsbrocken. Die erwünschten chemischen Reaktionen laufen dann umso effektiver ab. Feuchtigkeit und Wärme sind ebenfalls zuträglich, was für Länder wie Brasilien spricht.

In Brasilien darf man Gesteinsmehl auf den Acker bringen

InPlanet macht sich in Brasilien noch einen weiteren Vorteil zunutze. «Dort ist es ausdrücklich erlaubt, Gesteinsmehl in der Landwirtschaft einzusetzen, um Böden zu verbessern», sagt Matthew Clarkson. Der Geochemiker hat an der ETH Zürich geforscht und ist nun «Head of Carbon» bei dem deutsch-brasilianischen Unternehmen.

Auf rund 5000 Hektaren hätten Landwirte im vergangenen Jahr für InPlanet gemahlenen Basalt verstreut, berichtet Clarkson. Die grauen Körnchen, zwischen 0,05 und 2 Millimeter klein, wurden mittels Traktor und Düngerstreuer ausgeworfen, durchschnittlich 10 Tonnen pro Hektare.

Das ausgebrachte Gesteinsmehl bindet Kohlendioxid, das sich in der Luft befindet.

InPlanet

Clarkson schätzt, dass das Verhältnis zwischen Gesteinsmehl und gebundenem CO2 bei etwa 5 zu 1 liegen wird. Das heisst: Die bereits verstreuten 50 000 Tonnen Basalt sollten binnen fünf Jahren 10 000 Tonnen Treibhausgas aus der Atmosphäre geholt haben. Der grösste Umsatz wird zu Beginn erwartet. «Wir haben bereits erste vielversprechende Daten, müssen aber noch mehr Informationen sammeln, um die Kohlenstoffspeicherung genauer zu berechnen», sagt der Geochemiker.

Trocknet eine Bodenprobe, dann schrumpft sie

Die Sache ist allerdings komplex. Erfahrungsgemäss lassen sich Werte aus Laborexperimenten kaum auf reale Feldanwendungen übertragen, wie David Beerling betont. Der Professor von der Universität Sheffield forscht seit Jahren zu ERW. «Wenn man beispielsweise eine Bodenprobe im Labor bewässert, ist das etwas ganz anderes als im Feld», sagt er. Sobald die Probe trocknet, schrumpft sie, und es bilden sich Risse. Entlang dieser rinnt das Wasser rasch herab - beziehungsweise an der Gefässwand. Ein Ackerboden entwässere anders, was wiederum die chemischen Reaktionen beeinflusse.

Auf dem Weg in die Praxis sind noch viele weitere Unsicherheiten zu klären, wie ein Team um Salvatore Calabrese von der Texas-A&M-Universität im Fachjournal «Environmental Science & Technology» darlegt. Die Veränderungen an der Mineraloberfläche im Nanobereich hat man zum Beispiel noch kaum verstanden. Auch sei noch unklar, wie Lebewesen die chemischen Prozesse im Boden beeinflussten und welche Rolle der grossräumige Faktor des Wasserangebots spiele. All dies führe dazu, dass das Potenzial, Kohlenstoff zu binden, teilweise massiv überschätzt werde, meint Calabrese.

Man kann messen, wie viel Gesteinsmehl sich gelöst hat

Es sei wichtig, die Forschungen ins Feld zu tragen, sagt Beerling. Selbst wenn die Messungen dort kompliziert seien. Wie oft und an welchen Stellen welche Daten erhoben werden müssen, um die Realität zu erfassen - das sei die zentrale Frage. Dazu gibt es zwei Ansätze.

Der erste Ansatz misst, wie viel von dem aufgebrachten Gesteinsmehl sich nach einer bestimmten Zeit bereits gelöst hat. Daraus lässt sich die CO2-Aufnahme berechnen. Im zweiten Ansatz wird das Bodenwasser analysiert. Man misst, wie viele Kohlenstoffverbindungen darin gelöst sind und welche Verwitterungsprodukte aus dem Gestein bereits freigesetzt wurden, Kalzium und Magnesium zum Beispiel.

Nach jedem Regen würden Wasserproben genommen, auf diverse Ionen geprüft, den pH-Wert und weitere Parameter, sagt Clarkson. Hinzu kämen Untersuchungen an Pflanzen und Gasmessungen.

Auch auf mögliche Schadstoffe muss geachtet werden. Bestimmte Gesteine, die für ERW diskutiert werden, können nämlich Nickel und Chrom freisetzen. «Unsere Basalte sind zertifiziert, dass sie nicht zu viel Schwermetalle freisetzen und in der Landwirtschaft verwendet werden können. Zusätzlich prüfen wir die Gehalte im Boden», erläutert Clarkson.

Den Nutzen für das Klima zu bestimmen, ist kompliziert

Um die Frage zu beantworten, wie viel CO2 der Atmosphäre erspart wurde, genügen Messungen vor Ort allerdings nicht. Denn es sind zusätzlich Emissionen zu berücksichtigen, die bei der Herstellung des Basaltmehls und dessen Transport anfallen - sowie chemische Reaktionen in den Gewässern, die zu erneuter Freisetzung führen können.

Daraus kann ein konkreter Wert bestimmt werden, der sich in CO2-Zertifikate umrechnen lässt, die dann verkauft werden. InPlanet strebt eine Zertifizierung durch unabhängige Plattformen an. Bis das geschafft ist, müssen Investoren oder Kunden, die einen Vorschuss zahlen, die Projekte finanzieren.

Im vergangenen Jahr wurden gemäss eigenen Angaben 5,6 Millionen Euro Kapital eingesammelt. Beteiligt waren unter anderem die Zürcher Unternehmen Carbon Removal Partners und Übermorgen. Bis 2026 will die Firma ausreichend Basaltmehl ausgebracht haben, um eine Million Tonnen CO2 zu entfernen.

Noch sind die realen Preise der CO2-Zertifikate zu niedrig

In der aufstrebenden ERW-Branche sind mehrere Firmen aktiv, doch sie haben mit hohen Kosten zu kämpfen. Laut einer McKinsey-Analyse braucht es 120 bis 800 Dollar, um eine Tonne CO2 zu binden. Als Ziel gelten rund 100 Dollar. Die realen Preise der Zertifikate liegen bislang aber deutlich darunter. Um die Lücke zu schliessen, hoffen Verfechter einerseits auf politische Unterstützung und andererseits auf Einsparungen, die dadurch erzielt werden können, dass man das Verfahren vergrössert.

Lastwagen transportieren neues Gesteinsmehl heran.

InPlanet

Der Klimaschutz sei in diesem Fall mit relativ geringem Aufwand zu haben, argumentiert Clarkson und erinnert an die CO2-Absauganlagen (direct air capture), die massive Investitionen und neue Infrastruktur für das abgetrennte Treibhausgas erfordern. Das Verfahren habe aber noch weitere Vorteile: «Das Gesteinsmehl sorgt zudem dafür, dass verarmte Böden regenerieren und nachhaltig Nährstoffe für die Landwirtschaft und letztlich unsere Nahrungsmittel bereitgestellt werden.»

Je nachdem, wie schnell das Gesteinsmehl auf den Böden verwittert, kann alle ein, zwei oder drei Jahre neues Material ausgebracht werden. Bislang ist der Nachschub gesichert. InPlanet nutzt Reststoffe aus der Gesteinsindustrie und arbeitet in einem Radius von höchstens 100 Kilometern um zertifizierte Steinbrüche, um die Transportwege kurz zu halten und so seinem Anspruch auf Nachhaltigkeit gerecht zu werden. Auch Beerlings Team nutzt für seine Feldversuche in Grossbritannien Reststoffe aus Steinbrüchen, die zu feinkörnig für andere Verwendungen sind.

«Wenn die Technologie weiter hochgefahren wird, wird man die Produktion von Gesteinsmehl erhöhen, vielleicht sogar neue Steinbrüche eröffnen müssen», sagt der Forscher. In Mitteleuropa erscheint das schwer vorstellbar. Hier rufen schon heute Erweiterungspläne für Steinbrüche massiven Widerstand verschiedener Gruppen hervor. Beerling glaubt, dass der gute Zweck überzeugen könnte. Bergbau für fossile Rohstoffe führe verständlicherweise zu Unmut, sagt er. «Wenn Basalt abgebaut wird, um etwas gegen die Klimakrise zu tun, und zugleich die Nahrungsmittelproduktion gesichert wird, dann ist das etwas anderes.»