El Niño und Asiens Hitze: Welche Rolle spielt der Klimawandel?

→ Оригинал (без защиты от корпорастов) | Изображения из статьи: [1] [2]

Tatsächlich ist der Verweis auf El Niño nur ein geringer Trost für die derzeit von Temperaturmaxima betroffenen mehr als zwei Milliarden Menschen rund um den Globus. El Niño ist seit Monaten ein starker Faktor, wenn es um Extremwetterphänomene rund um den Erdball geht. Um den Jahreswechsel hatte El Niño seinen Höhepunkt erreicht. Das hieß vor allem: im Schnitt zwei, drei oder mehr Grad wärmere Wassermassen als normal im tropischen Pazifik vor der Westküste Südamerikas.

Um externe Inhalte anzuzeigen, ist Ihre widerrufliche Zustimmung nötig. Dabei können personenbezogene Daten von Drittplattformen (ggf. USA) verarbeitet werden. Weitere Informationen .

Abgezeichnet hatte sich das allerdings auch bereits Monate vorher, über ein Super-El-Niño war spekuliert worden, noch stärker womöglich als die bisher ausgeprägteste Anomalie um den Jahreswechsel 2015/16. Was das heißen könnte, war schon Ende 2023 den meisten Klimaforschern und Meteorologen klar. Die üblichen Luftzirkulationen und Niederschlagsmuster ohne El Niño werden ausgehebelt, Extremwetterlagen - Dürren hier, Überflutungen da - treten auf. Oft wochenlang.

El Niño tauchte übergangslos auf

El Niño gibt es so seit Tausenden von Jahren, im Wechsel mit La Niña, der Kälteanomalie, die riesige Kaltwassermassen im tropischen Pazifik an die Oberfläche bringt. Eine natürliche Klimaschaukel im Pazifik, sagen manche Forscher, die unfassbare Wassermassen bewegt und die früher alle drei bis sieben Jahre in die eine Richtung und wieder zurück schwenkte. Inzwischen haben sich die Abstände zwischen El Niño und La Niña verkürzt, die Ausschläge werden größer, die neutralen Zustände dazwischen - ein oder zwei Jahre ohne Wärme- oder Kälteanomalie im Pazifik - fallen plötzlich aus. So wie vergangenes Jahr, als sich nach einer fast dreijährigen La-Niña-Phase (auch das ungewöhnlich), ohne Übergang der aktuelle El Niño aufbaute.

Und all diese ungewöhnlichen Eigenschaften werden dann eben doch mittlerweile mit der menschengemachten Klimaerwärmung in Zusammenhang gebracht. Jedenfalls deuten viele Klimamodelle seit längerem in diese Richtung. Eine eindeutige Kausalkette herzustellen ist allerdings schwierig, einerseits, weil die Klimamodelle den Daten-„Fingerabdruck" des menschengemachten Klimawandels bei einem so großräumigen und heterogenen Phänomen wie El Niño statistisch nicht mit der gebotenen statischen "Power" erkennen können.

Viele kleinräumigere Wetteranomalien sind da mit der Fülle an aktuellen und historischen Daten leichter zu analysieren. So hat die internationale „World Weather Attribution"-Initiative" vor wenigen mit der üblichen Fingerabdruck-Methode und unter Zuhilfenahme von Klimamodellen sehr klar zeigen können, dass die wochenlange Trockenheit rund um den Panama-Kanal, die zu massiven weltweiten Lieferengpässen führte, hauptsächlich auf das Konto des aktuellen El Niño geht - während die gewaltigen Jahrhundertüberschwemmungen zur gleichen Zeit in Oman auf der Arabischen Halbinsel ohne die menschengemachte Erderhitzung in der Intensität kaum möglich gewesen wäre.

Um externe Inhalte anzuzeigen, ist Ihre widerrufliche Zustimmung nötig. Dabei können personenbezogene Daten von Drittplattformen (ggf. USA) verarbeitet werden. Weitere Informationen .

Klar ist zudem: In diesen Tagen wirken El Niño und Klimakrise immer wieder zusammen. El Niño mit der starken Pazifikerwärmung hat dazu geführt, dass schon 2023 die Erderwärmung einen Sprung gemacht und die globale Erwärmungsmarke von plus 1,5 Grad im Vergleich zu der vorindustriellen Zeit überschritten hat. Die vergangenen zehn Monate brachten allesamt globale Allzeit-Rekordwerte. Grundlage dafür waren auch völlig ungewöhnliche Ozeantemperaturen - die bis heute anhalten. Der Nordatlantik etwa für Europa war an 420 aufeinanderfolgenden Tagen auf Rekordkurs, ehe es sich an der Anomaliefront etwas beruhigt hat, globale gesehen aber bleiben die Meerestemperaturen nach wir vor weit über dem langjährigen Mittel und und noch deutlich über dem Rekordmittelwert von 2023. Das erste Vierteljahr 2024 war die Welt auf Kurs plus 1,6 Grad. Es könnte, schreiben Datenspezialisten wie der US-Klimaforscher Zeke Hausfather, dieses Jahr nochmal höher gehen mit den Rekorden - und das, obwohl seit wenigen Wochen El Niño deutlich Anzeichen einer Abschwächung zeigt, Kaltwassermassen vor der südamerikanischen Westküste aufquellen, und obwohl die Klimamodelle einen - wieder einmal fließenden Übergang - in ein La-Niña-Jahr vorausberechnet haben.

Zum ersten Mal seit beginn der Messungen könnte im Sommer ein El Niño zu Ende gehen, und die Temperatur weltweit nicht runtergehen, auch solche Aussagen sind von Klimaforschern jetzt zu hören. Und so bleibt der Klimawandel und mit ihm die ungewöhnlich hohen Ozeantemperaturen ein beständiger und kontinuierlich sich weiter zuspitzende Faktor, wenn es um Extremwetter geht. In El-Niño-Phasen fallen diese Spitzen eben nur noch krasser aus.

Katastrophen mit Todesfolgen

Zu den schwerwiegenden - und kostspieligen - Folgen, die in den vergangenen Tagen und Wochen speziell in Südostasien zu spüren waren, gehören auch Katastrophen mit Todesopfern. In Indien und auch in China waren bei Hitze und Überflutungen Tote gemeldet worden. Schulen wurden in einigen Ländern zwischenzeitlich geschlossen. Weite Teile Süd- und Südostasiens leiden seit Wochen unter einer nicht enden wollenden Hitzewelle. Die Temperaturen steigen auf weit mehr als 40 Grad. In einem kambodschanischen Militärstützpunkt hat es vor wenigen Tagen nach Regierungsangaben 20 Tote gegeben, als Munitions- und Waffenvorräte hitzebedingt explodierten. Das Verteidigungsministerium in Phnom Penh erklärte am Donnerstag unter Berufung auf eine Expertenuntersuchung, das Unglück vom vergangenen Samstag sei auf ein „technisches Problem" zurückzuführen, „weil die Waffen alt und defekt waren und wegen des heißen Wetters". Wie die Hitze zu der Explosion beitrug, führte das Ministerium nicht aus.

In der ländlichen Provinz Kampong Speu im Süden Kambodschas war nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP ein mit Munition beladener Lastwagen explodiert. Durch die Wucht der Explosion wurden mehrere Gebäude auf dem Militärstützpunkt zerstört; 20 Soldaten starben, mehrere weitere erlitten Verletzungen. Laut in Online-Netzwerken veröffentlichten Fotos erlitten mehrere Bewohner eines nahegelegenen Dorfes Schnittwunden, unter ihnen auch ein Kleinkind.

Die Menschen in Bangkok in Thailand wurden von fast 45 Grad erreicht. Weil die Temperaturen, gepaart mit der hohen Luftfeuchtigkeit, den Körper extrem belasten, bewegen sich die Menschen dort in diesen Tagen sehr langsam, wie dpa berichtete. Verkäufer in den Garküchen fächeln sich mit allem, was sie zur Hand haben, Luft zu. Touristen laufen mit hochroten Köpfen und schweißnassen T-Shirts durch den Wat Arun und andere berühmte Tempelanlagen. Eine unerträgliche Hitzewelle hat die thailändische Hauptstadt und viele andere Landesteile seit Wochen fest im Griff und will einfach nicht enden. Anderen Ländern in der Region geht es kaum besser.

Hitzeopferdpa

Wer nicht unbedingt auf die Straße muss, bleibt in klimatisierten Innenräumen - gerade die ikonischen, angenehm temperierten Shopping Malls der Glitzermetropole haben derzeit Hochkonjunktur. Auch die Behörden raten, längere Aufenthalte im Freien zu meiden. Regelmäßig geben sie Warnungen heraus, weil der Hitzeindex - die gefühlte Temperatur mit Blick auf die Luftfeuchtigkeit und andere Faktoren - speziell in der Mittagszeit bei über 52 Grad liegt.

„Dass es in Bangkok so unerträglich ist, liegt natürlich auch daran, dass es so wenige Bäume gibt", sagt die Deutsche Nicole, die seit sieben Jahren in der Stadt lebt. „Es gibt kaum Natur und daher auch kaum Schatten." Seit Jahresbeginn sind laut Gesundheitsbehörden im Land schon 30 Menschen durch hitzebedingte Erkrankungen gestorben.

Wasserknappheit auf Urlaubsinseln

Die Thailänder sind an hohe Temperaturen gewöhnt, speziell im April, dem traditionell heißesten Monat des Jahres. Aber so krass wie in diesem Jahr sei es fast noch nie gewesen, stöhnen die Einwohner unisono. Und schon gar nicht über einen so langen Zeitraum. Besonders heftig: Sogar nachts gibt es keine Abkühlung. Die Werte sinken kaum unter 30 Grad.

„Nicht nur Ausländer, selbst die Thais schütteln den Kopf über diese unglaublichen Temperaturen", sagt die Münchnerin Barbara, die seit fünf Jahren auf der bei Deutschen sehr beliebten Urlaubsinsel Koh Samui lebt. "Es gibt kaum ein anderes Thema." Hinzu kommt Wasserknappheit, weil die Reservoirs auf einem Tiefststand sind und das Wasser, das vom Festland auf die Insel gepumpt wird, nicht mehr ausreicht. Privatunternehmen mit Tanklastern machten derzeit einen Riesen-Reibach, erzählen Einwohner.

Rekordwerte von Vietnam bis Bangladesch

Thailand ist kein Einzelfall. Auch andere Länder in Südostasien und in Südasien melden Hitzerekorde - speziell die Philippinen, Bangladesch und Vietnam. So klagt Südvietnam mit der Millionenmetropole Ho-Chi-Minh-Stadt (früher: Saigon) über die längste Hitzewelle seit 30 Jahren. Seit Jahresbeginn lagen die Tageswerte Meteorologen zufolge fast immer bei über 35 Grad. In einigen Regionen wurden zuletzt sogar Temperaturen von rund 40 Grad gemessen.

„Es ist so heiß, dass ich nur am frühen Morgen Landwirtschaft betreiben kann", sagt der Farmer Pham Van Bau. "Ich mache mir große Sorgen, dass die Fische in meinen Teichen wegen des extrem warmen Wassers sterben werden." Wie auch in Thailand hat die Gluthitze derweil den Stromverbrauch zu Allzeit-Rekorden getrieben.

Bangladesch erlebt derzeit sogar die längste Hitzewelle seit mindestens 75 Jahren. „Ich habe noch nie eine solche Gluthitze erlebt", sagt der 38-jährige Aminur Rahman aus der Hauptstadt Dhaka erschöpft. Um seine fünfköpfige Familie über Wasser zu halten, tritt er auf seiner Rikscha in die Pedale. Derzeit schafft er gerade einmal zwei Stunden am Tag. Aber es kommen ohnehin kaum Kunden - auch in Dhaka bleiben die Menschen lieber in kühleren Innenräumen. Innerhalb weniger Tage starben trotzdem mindestens zehn Menschen an einem Hitzschlag. Vorsorglich wurden Schulen geschlossen - ebenso wie auf den Philippinen.

Mobile Duschen auf den Philippinen

Für den Inselstaat sagte das nationale Wetteramt einen alarmierenden Hitzeindex voraus: Die gefühlte Temperatur könnte in den nächsten Tagen und Wochen 57 Grad erreichen und eine „extreme Gefahr" darstellen. Wegen der erhöhten Nachfrage nach Strom zur Betreibung von Klimaanlagen drohten Ausfälle. „Unser Stromnetz ist überlastet, weil es so heiß ist", warnte Präsident Ferdinand Marcos Jr.

Die Gesundheitsbehörden forderten die Bevölkerung auf, sich mit Schirmen und Sonnenhüten zu schützen und viel Wasser zu trinken. In Valenzuela, einer Vorstadt von Manila, setzte die lokale Regierung kostenlose mobile Duschen ein. Damit will sie vielen Bürgerinnen und Bürgern, die in der Region unter Wasserknappheit leiden, Abkühlung verschaffen. Auch soll so Hitzschlägen vorgebeugt werden.

Mit Agenturmaterial von AFP und dpa.