Italiens Strände im „Albtraumszenario" gefangen: Sommer-Desaster droht

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Stand: 12.05.2024, 22:53 Uhr

Von: Richard Strobl

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Strand-Liegen am Spiaggia von Diano Marina am östlichen Rand der Blumenriviera in Ligurien. (Archivbilder-Collage) © Collage: IMAGO / Eibner

Italiens Strände sind zum Zank-Apfel zwischen EU und Meloni-Regierung geworden. Leidtragende sind Betreiber, Angestellte - und womöglich auch Urlauber.

Rom - Dieser Anblick gehört zu einem Italien-Urlaub, wie Pizza, Gelato und Autostrada-Gebühren: Vor dem kristallklaren blauen Mittelmeer reihen sich weiße Plastik-Liegen und Sonnenschirme in allen möglichen bunten Farben über die Strände. In vielen Badeorten ist der Strand geradezu durch Holz- und Bast-Barrikaden verrammelt. Doch die kostenpflichtigen Strandbäder sind in Italien Tradition und die Betreiber der kleinen Strandhütten reichen ihre vom Staat vergebenen Lizenzen oftmals über Generationen weiter. Doch durch ein Hickhack mit der EU droht Italien aktuell ein Strand-Desaster.

Hintergrund ist, dass die EU von Melonis Regierung fordert, dass Italien seine Strand-Konzessionen ab 2024 europaweit und nach nachvollziehbaren Kriterien ausschreiben hätte sollen. Basis dafür ist die sogenannte Bolkestein-Richtlinie. Durch diese 2006 verabschiedete EU-Regel soll im EU-Binnenmarkt die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen gewährleistet werden. Die Folge: Die Strand-Konzessionen dürfen nicht mehr wie bisher automatisch verlängert werden. Bei einer neuen Ausschreibung müssten dann Bewerber aus der ganzen EU berücksichtigt werden. Existenzbedrohend für die bisherigen Inhaber. Und auch ein Preisanstieg für Urlauber wird befürchtet.

„Albtraumsituation" für Italiens Strände: Nach Urteil droht nun Chaos

Die Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni argumentiert, dass die kostenpflichtigen Strände ein historisches und kulturelles Erbe in Italien darstellen, das von Einheimischen weitergeführt werden soll. Man will verhindern, dass ausländische Investoren mehr zahlen, einheimische außen vor bleiben und dann Preise erhöht werden. Seit Jahren wehrt man sich gegen die EU-Regel. Doch im letzten Jahr machte die EU dann ernst und drohte ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien einzuleiten.

Die Meloni-Regierung reagierte mit einem Taschenspielertrick: Man ließ die Küste Italiens neu vermessen. Plötzlich hatte das Land 3000 Kilometer mehr Strand. Dadurch sollte der Strand nicht mehr als „knappes Gut" gelten und man wollte die EU-Richtlinie umgehen. In Brüssel betrachtet man das Vorgehen als nicht sehr glaubwürdig.

Und auch in Italien selbst gibt es Probleme für Melonis Plan: Italienische Gerichte haben die These von den nicht-knappen Stränden zurückgewiesen, wie die Repubblica berichtet. Die von der Regierung bis Ende 2024 verlängerten Konzessionen sind auch laut Staatsrat-Urteil rechtswidrig, da man auch in Italien erkennt, dass nicht unendlich Strand vorhanden ist. Im Anschluss bezeichnete etwa Riccardo Magi von der Partei Piu Europa die neue Kartierung durch die Meloni-Regierung als „Hohn und ungeschickten Versuch, die europäischen Vorschriften zu umgehen". Dem Urteil nach muss die Ausschreibung der Strände sofort und in einem „wettbewerbsorientierten Kontext" erfolgen.

Italien-Strände im „Albtraumszenario" gefangen: „Große Unsicherheit" kann schlimme Folgen haben

Daraus ergibt sich nun eine extrem schwierige und unsichere Lage für die Betreiber der „stabilimenti balneari". Viele Wirtschaftsverbände fordern ein Umstrukturierungsgesetz, das zwar die EU-Richtlinie berücksichtigt, aber die italienischen Betreiber schützt. Doch dieses fehlt bislang komplett. Von bloßer „Propaganda" der Regierung spricht Matteo Ricci, Bürgermeister von Pesaro, jetzt und meint gegenüber der Repubblica: „Das einzige Ergebnis, das die Rechte in der Regierung hervorgerufen hat, eine große Unsicherheit ist, die Investitionen blockiert hat: Niemand investiert, wenn er keine Gewissheit hat, dass er die Tätigkeit fortsetzen kann".

Der Genossenschaftsverband Legacoop Romagna, dem auch die Stände von Rimini angehören, spricht von einem „Albtraumszenario". Es könnte nun ein Wettbewerb um jeden einzelnen Strand entstehen, mit unterschiedlichen Regeln für jede Gemeinde. Denn einige Gemeinden haben sich mittlerweile dazu entschieden, der EU-Forderung zu folgen und ihre Strände auszuschreiben. Dabei gibt es aber massive Probleme, da viele Fragen nicht beantwortet sind.

So wollte etwa die Stadt Rom mit der mehrjährigen Ausschreibung starten, „um dem Sektor Sicherheit und dem Bürger bessere Dienstleistungen zu geben", wie Stadtrat Tobia Zevi sagt. Es fehle aber nicht nur ein nationales Gesetz als Basis, sondern auch ein Plan für die Nutzung der Strände. Man sei nun dabei, zumindest eine jährliche Ausschreibung für die abgelaufenen Konzessionen durchzuführen.

Chaos um Italiens Strände: Tausende Arbeitsplätze bedroht - Preise drohen zu explodieren

Die Betreiber sprechen nun von 300.000 gefährdeten Arbeitsplätzen. Zudem drohen die Preise zu explodieren und viele Strandbäder könnten gar komplett geschlossen bleiben. Mitte April gingen Tausende Angestellte in Rom auf die Straße, um gegen die aktuelle Rechtsunsicherheit zu protestieren. Auch hier drohte man der Regierung mit geschlossenen Strandbädern.

Italiens Regierung erklärte in Persona des stellvertretenden Ministerpräsidenten Antonio Tajani, dass man im Dialog mit der EU daran arbeite, eine Lösung zu finden. „Der gesunde Menschenverstand" müsse siegen und „die Europäische Kommission muss die italienischen Besonderheiten verstehen". Allerdings scheint kurz vor der Europawahl keine schnelle Lösung in Sicht. Eine Tatsache, die Giorgia Meloni durch ihre eigene Kandidatur für Europa sicher ändern möchte. Wie es mit den Strandbädern weitergeht, bleibt damit weiter offen - und die Betreiber sind enormer Unsicherheit ausgesetzt.