Höcke vor Gericht: Als der Angeklagte plötzlich verstummt

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Verwendung einer Nazi-Parole

Höcke vor Gericht: Als der Angeklagte plötzlich verstummt

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Prozess gegen Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke in Halle.

Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur

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Zweiter Prozesstag in Halle um die Verwendung einer Nazi-Parole: Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke beteuert seine Unschuld. Die Parole von Hitlers Schlägertruppe SA sei ihm nicht bekannt gewesen, im Studium habe ihn die NS-Zeit nicht interessiert. Doch bei einer Frage des Staatsanwalts wird Höcke plötzlich ganz schweigsam.

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Halle (Saale). Am Mittag des zweiten Prozesstages steht Björn Höcke auf, richtet seine Krawatte und beginnt mit seiner Aussage. Er stellt sich in Positur, als würde er eine Rede vor dem Landtag oder auf einer Wahlkampfbühne halten. Aber Höcke steht im Justizzentrum Halle hinter einem Tisch, auf den vorne ein Schild mit der Aufschrift „Angeklagter" angebracht ist. Der Vorsitzende Richter Jan Stengel weist ihn darauf hin, dass er sich auch setzen dürfe, weil er dann besser über das Mikrofon hörbar sein. Höcke kontert: „Es ist mein Bedürfnis, vor dem hohen Gericht zu stehen, weil ich weiß, wie wichtig Institutionen für den Rechtsstaat sind."

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Das ist ein bemerkenswerter Satz des 52-Jährigen, der vor dem ersten Prozesstag mitteilte, es solle mit dem Prozess, dessen „politische Dimension offensichtlich" sei, „ein Exempel statuiert" werden. Höcke bestritt, bei einer AfD-Kundgebung in Merseburg im Mai 2021 bewusst die Parole „Alles für Deutschland" der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA) verwendet zu haben. „Ich bin völlig unschuldig, ich habe mir nichts vorzuwerfen, ich stehe hier im Bewusstsein, gegen kein Recht und kein Gesetz verstoßen zu haben", sagte der Thüringer AfD-Chef.

Höcke zur entsprechenden Rede: „spontan" einen Dreiklang improvisiert

Er habe bei seiner Rede in Merseburg „spontan" einen Dreiklang improvisiert, wie er es auch bei seinen Reden in Thüringen praktiziere. Vom Kleinen ins Große, eine „ansteigende rhetorische Kaskade", nennt es Höcke. Begonnen habe er mit dem Slogan der AfD Sachsen-Anhalt zur Landtagswahl „Alles für unsere Heimat", um dann „alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland" dranzuhängen. Seine Rede habe er mit ein paar Stichpunkten frei gehalten, vorbereitet habe er sich auf der Autofahrt nach Merseburg.

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Die Parole der SA habe er nicht gekannt - auch nicht als studierter Historiker und früherer Geschichtslehrer, sagt Höcke aus. Jetzt kommen die drei Schulbücher zum Einsatz, die er bereits zum ersten Prozesstag mitgebracht hatte. Eines, mit dem er selbst unterrichtet wurde, eines aus seinem Unterricht und ein Vorbereitungsband für Lehrer. Weder als Schüler noch als Lehrer sei ihm der Wahlspruch von Hitlers Straßenkämpfertruppe untergekommen, sagt Höcke. Im Studium habe er keinen einzigen Kurs zur Geschichte des Nationalsozialismus belegt, ihn hätten Philosopiegeschichte und die Geschichte des 19. Jahrhunderts mehr interessiert. Um das nachzuweisen, hält er einen blauen Ordner hoch, in dem sich seine kompletten Studiennachweise befinden sollen.

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Höcke in seinem Gesprächsband: „Grenze des Sagbaren" müsse immer wieder „erweitert werden"

Staatsanwalt Benedikt Bernzen versucht Höcke im Folgenden festzunageln. Der weicht immer wieder aus. Weder will er wissen, dass der AfD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme die Parole 2017 plakatiert hatte (und überkleben musste), noch dass der AfD-Landesvize von Sachsen-Anhalt Kay-Uwe Ziegler im November 2020 „Alles für Deutschland" in einer Rede benutzt hat - und dafür eine Anzeige kassierte und auch innerparteilich kritisiert wurde. Ziegler, immerhin seit 2021 Bundestagsabgeordneter, will er noch nicht einmal kennen.

Dann hält Bernzen Höcke Passagen aus seinem Gesprächsband „Nie zweimal in denselben Fluss" vor. Dort stellte Höcke 2018 die rhetorische Frage: „Wie will man die Deutungshoheit des Establishments jemals brechen, wenn man sich seinen Sprachregelungen unterwirft?" Seine Forderung: Die „Grenze des Sagbaren" müsse „immer wieder mit kleinen Vorstößen erweitert werden". Ist damit auch gemeint, die Grenze des Strafrechts auszutesten? Höcke weist den Gedanken von sich.

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AfD-Chef Höcke wegen Nazi-Parole vor Gericht

Vor Prozesseröffnung gegen Björn Höcke haben zahlreiche Menschen gegen den AfD-Chef demonstriert. Er muss sich ab Donnerstag in Halle vor Gericht verantworten.

Quelle: dpa

Dann wird Höcke plötzlich stumm

Kurz vor dem Prozess hatte Höcke auf dem sozialen Netzwerk X (früher Twitter) in einer englischsprachigen Nachricht um Unterstützung beim Prozess geworben. Er warf der deutschen Justiz vor, „politische Gegner zu verfolgen und die freie Rede zu unterdrücken". Er sei angeklagt, „seinen Patriotismus unkorrekt" ausgedrückt zu haben.

Der US-Milliardär und X-Eigentümer Elon Musk stellte die Frage, warum die Losung verboten sei. Höcke antwortete, ebenfalls auf Englisch: „Weil jeder Patriot in Deutschland als Nazi diffamiert wird, da Deutschland Straftatbestände hat, die es in keiner anderen Demokratie gibt. Sie zielen darauf ab, Deutschland daran zu hindern, sich wieder zu finden."

Wie er das gemeint habe, will Staatsanwalt Bernzen den Angeklagten fragen. Doch hier verweigert der sonst so gesprächige Höcke die Aussage.