Jet vor Verkauf: Warum die Ölkonzerne ihre Tankstellen loswerden wollen

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Geschäftsmodell wackelt

Jet vor Verkauf: Warum die Ölkonzerne ihre Tankstellen loswerden wollen

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Jet Tankstelle in Ludwigshafen, Deutschland (10. Januar 2024) Jet Tankstelle in Ludwigshafen, Deutschland (10. Januar 2024) Aufnahmedatum 10.01.2024 Bildnachweis picture alliance / CHROMORANGE | Udo Herrmann

Quelle: picture alliance / CHROMORANGE

Für 815 Jet-Tankstellen in Deutschland wird ein neuer Betreiber gesucht. Durch die Elektromobilität geht die Kundschaft verloren. Dabei gibt es schon Pläne, was Tankstellen den Menschen in Zukunft bieten könnten.

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Frankfurt am Main. Was hat der US-Hedgefonds Elliott mit der Energiewende hierzulande zu tun? Im günstigsten Fall könnte er indirekt zur Beschleunigung der Elektromobilität beitragen. Nämlich mit mehr Ladesäulen an 815 Tankstellen.

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Der Reihe nach: Der US-Ölmulti Phillips 66 (früher Conoco-Phillips) hat in seinem aktuellen Geschäftsbericht gerade kundgetan, dass „ein Verfahren zum Verkauf des Einzelhandelsvertriebs in Deutschland und Österreich" eingeleitet wurde. Damit sind die Jet-Stationen mit den Zapfsäulen gemeint - in Deutschland sind es 815, in Osterreich 154. Der geplante Verkauf entspreche dem Plan, Vermögenswerte, die nicht zum Kerngeschäft gehören, zu veräußern, heißt es. Details sind noch nicht klar.

Eine Tankstelle bringt den Konzernen wenig Gewinn

Klar ist aber, dass die Geschäftsführung dies auf Druck der Elliott Investment Management angeht. Der Chef des Hedgefonds, Paul Singer, und seine Leute sind dafür berüchtigt, dass sie Unternehmen nach Schwachstellen absuchen. Dann steigen sie in diese Firmen ein - bei Phillips 66 geschah es 2023 mit einer Milliarde Dollar, um das Management anzugehen. Nach Informationen des US-Branchendienstes Argus hat Singer gedroht, personelle Veränderungen in der Führungsriege in den Aufsichtsgremien durchzudrücken, wenn der Verkauf der Tankstellen nicht zügig auf den Weg gebracht wird.

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Der Hintergrund: Mineralölkonzerne verdienen vor allem in den Raffinerien ihr Geld. Die dazugehörigen Tankstellenketten erzielen in der Regel Renditen von weniger als 5 Prozent. Ein Großteil davon mit Tabakwaren, Getränken, Snacks und belegten Brötchen. Um beim Kraftstoff Gewinne zu optimieren, haben die fünf großen Tankstellenketten (Aral, Esso, Shell, Total und Jet) eine Art Oligopol gebildet, das versucht, immer den gerade noch durchsetzbaren höchsten Preis für den Sprit zu erzielen.

Dank der Elektromobilität werden weniger Tankstellen benötigt

Mit mehr Elektromobilität wackelt das Geschäftsmodell, weil der Energieträger nicht mehr aus der Ölraffinerie kommt und die Zahl der Kunden schrumpfen wird. Denn diversen Studien zufolge werden künftig ungefähr acht von zehn Ladevorgängen zu Hause oder am Arbeitsplatz stattfinden. Für die Ölmultis wird der Betrieb der Tankstellen komplizierter und an ungünstigen Standorten mutmaßlich nicht mehr profitabel. Ein Tankstellensterben scheint unabwendbar - ohnehin hat sich die Zahl der Stationen über viele Jahre hinweg auf inzwischen noch etwa 14.000 bundesweit halbiert.

Shell will in diesem und im nächsten Jahr jeweils 500 seiner weltweit 47.000 Standorte verkaufen. Die weiter bestehenden Standorte sollen mit Ladesäulen ausgestattet werden.

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Der französische Total-Energies-Konzern hatte sich indes schon voriges Jahr zu einem viel radikaleren Schnitt entschlossen und sein gesamtes hiesiges Netz mit knapp 1200 Tankstellen verkauft - an das kanadische Unternehmen Couche-Tard. Ein Spezialist für sogenannte Convenience-Shops: Geschäfte, die Kaffee und Kaltgetränke, belegte Brötchen und Fast Food anbieten.

Womöglich denken die Phillips-Manager an einen ähnlichen Deal. Und es kursiert bereits die Vermutung, dass ein neuer Eigner, der nicht aus der Ölbranche kommt, beherzt die Umrüstung auf E-Zapfsäulen angeht: auch um Convenience-Kunden anzulocken.

„Drehscheibe der Mobilität": Sind Tankstellen in Zukunft mehr als nur Tankstellen?

Der hiesige Marktführer Aral mit rund 2400 Tankstellen jedenfalls glaubt auch langfristig an die Anlaufpunkte für Autofahrer - allerdings in neuer Gestalt. Schon vor knapp fünf Jahren stellten die BP-Tochter und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt die Studie mit dem Titel „Tankstelle der Zukunft" vor. 2040 soll sie eine „Drehscheibe der Mobilität" sein, wo Strom für Pkw und E-Bikes verkauft wird, wo es Paketabholstationen gibt und die Convenience-Shops, die Aral bereits an zunehmend mehr Standorten von der Rewe-Tochter Lekkerland unter dem Label „Rewe To Go" betreiben lässt. Etwa 900 sind es bereits.

Und auch die Lkw wurden nicht vergessen. Gerade erst wurde ein neuer Ladestandort im Hamburger Stadtteil Moorfleet seiner Bestimmung übergeben: Die Brummis können laut Aral an drei Ladesäulen mit jeweils zwei CCS-Steckern in 45 Minuten Strom für 200 Kilometer tanken. Vier Hochleistungsladesäulen für Pkw kommen hinzu. Es gibt inzwischen 21 weitere sogenannte Aral-Pulse-Tankstellen, an denen auch Laster elektrische Energie zügig tanken können. Patrick Wendeler, Chef von BP-Europa, will mehr. Er fordert, den Ausbau der Ladeinfrastruktur für den Mittel- und Schwerlastverkehr „deutlich zu beschleunigen, um die Klimaziele zu erreichen".

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Eine Jet-Tankstelle zu besitzen könnte sich noch lohnen

Welche Rolle die heute noch gelben Jet-Tankstellen dabei spielen werden, ist für Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer offen. Er ist davon überzeugt, dass Tankstellen und die dazugehörigen Shops eine Zukunft haben. „Sie sind generell attraktiv wegen der längeren Öffnungszeiten im Vergleich zu regulären Supermärkten", sagte Dudenhöffer dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Er macht zudem darauf aufmerksam, dass sich der Fahrzeugbestand nur langsam ändert: „Diesel und Benzin werden auch noch in 30 bis 40 Jahren gebraucht." Davon könnten auch die künftigen Eigentümer der gelben Jet-Tankstellen profitieren. Schließlich sei Jet beim Sprit ein günstiger Anbieter, der viele Kunden anziehe. Allerdings gebe es in jedem Tankstellennetz gute und schlechte Standorte. Deshalb: „Die Frage in puncto Elektromobilität ist, ob die Stationen so liegen, dass auch E-Auto-Fahrer dorthin zum Laden kommen. Die Kundenfrequenz wird der entscheidende Faktor", so Dudenhöffer.