Russischer Soldat: "Patriotismus verschwindet schnell, wenn man überleben will"

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Krieg in der Ukraine Russischer Soldat: "Patriotismus verschwindet schnell, wenn man überleben will"

Bei diesem russischen Soldaten ist der Patriotismus verflogen. 

© Telegram

In dem bekannten Telegram-Kanal "Russia no Context" beschreibt ein russischer Soldat den mörderischen Alltag an der Front und erklärt, warum sich nur Verrückte von Putins Geld verlocken lassen, in diese Hölle zu gehen.

"Russia no Context" ist ein Propaganda-Kanal, der im Wesentlichen Bilder und Videos von ukrainischen Erfolgen und russischen Toten zeigt - immer aus der Perspektive des einfachen Soldaten. Rattenhorden, die es sich in den russischen Unterständen gemütlich gemacht haben oder Verwundete, die ihre Kopfverletzung zeigen. Ein neuer Clip zeigt einen Russen in seinem Unterstand. Der Soldat macht einen ruhigen Eindruck. Er trinkt einen Energydrink und sieht in seinem roten T-Shirt eher wie ein Bäcker aus als wie ein Elitesoldat. Er schildert das Schicksal von Neulingen, die schon beim ersten Einsatz als 200er - Sowjet-Chiffre für Gefallen - nach Hause kommen.

Russischer Soldat trauert

Er möchte von den schmerzhaftesten Erlebnissen sprechen, beginnt er. "Die Jungs hier waren jung, einer erst 19 Jahre alt."  Der wusste nicht einmal, wie er sein Sturmgewehr hält, lädt und auseinandernimmt. "Wir haben ihm eine Schutzwesten, einen Helm und eine Waffe gegeben." Dann ging es an die Kontaktlinie. "Alle vier Newbies gingen verloren." Die Trauer des Russen um die "Jungs" ist lakonisch, ruhig, als wäre gar nicht groß etwas geschehen. Damit bildet der Soldat einen seltsamen Gegensatz zur ukrainischen Kämpferin Elena Ivanenko, "Rotschopf", die ihre Trauer und ihre Verzweiflung in ihr Handy geschrien hat, nachdem der Großteil ihrer Einheit bei den Kämpfen um Robotyne aufgerieben wurde.

Das Mutterland zahlt russische Soldaten gut 

Die russischen Jungs waren zum ersten Mal da. Die Veteranen fragten, warum sie gekommen seien. Die Antwort: Wegen des Geldes! Putins Kriegsmaschine wird mit Geld geschmiert. Die Arbeiter in der Rüstungsindustrie erhalten Top-Löhne, für zusätzliche Schichten noch mehr. Und die freiwilligen Militärs werden mit einer Mischung aus Patriotismus und Gier gelockt. Stylische Videos erzählen immer die gleiche Botschaft: Ein junger Mann mit einem langweiligen Beruf verlässt den Stall oder die Ladenkasse und geht zum Militär. Glänzende Aufnahmen, bewundernde Blicke der Frauen, patriotische Musik, Waffen, Muskeln und gutes Geld.

Dieses Flair ist bei dem Erzähler inzwischen verflogen. "Für Geld! Klar, verstanden. Hier ist dein Gewehr, da geht es zum Blutbad. Gehe und verdiene dein Geld."

Erfahrung sichert das Überleben

Weil die Neuen nicht gedient hatten, keine Einsatzerfahrung hatten, mussten sie sterben. "Wann sollst du schießen, wann besser nicht? Was machst du, wenn Drohnen auftauchen?  Wann stehst du auf, wann wirfst du dich hin? Lauter einfache Fragen," erklärt der Russe. Doch es dauert Ewigkeiten, bis man das verstanden hat. Fehler darf man sich nicht erlauben.

"Zuerst muss man seine Sachen zusammenkriegen, irgendwie überleben. Dann einer Drohne ausweichen, einer abgeworfenen Granate und, wenn du das erledigt hast, musst du noch deinen Auftrag erfüllen."

Das sei ein besonderer Krieg hier, erzählt er weiter, anders als der Zweite Weltkrieg, wo man aus dem Graben sprang und auf die Deutschen schoss. "Wenn du ein Held sein willst, bist du hier an der falschen Adresse. Das Heldentum verschwindet, wenn du das erste Mal im Kampf bist und eine Leiche siehst." Und Leichen gäbe es verdammt viele.

Keine Überlebenschance für Frischlinge 

Und Heldentum? Ein paar werden Helden, sagt er weiter. Doch das ist ein langer Weg. "Zuerst musst du eine Aufgabe erfüllen. Töte einen Ukrainer, treffe einen Bradley, weiche einer Drohne aus, nimmt einen Ukrainer gefangen. Erobere ein Schützenloch, einen Unterstand und dann kannst du angeben."

"Willkommen in der Hölle. Bevor jemand so eine dumme Entscheidung trifft, wie er es getan hat, sollte man es sich hundert Mal überlegen."

"Das Schlimmste ist, wenn du gefangen wirst. Erschieß dich lieber."

"Es ist mehr als Furcht, es ist Horror", sagt er in einer merkwürdigen Gelassenheit. Der Krieg mag "notwendig" sein, "sicher", erzählt er weiter. "Ich rate euch, kommt nicht. Es ist es nicht wert."

Von ukrainischer Seite wird der Skeptiker gefeiert, das ist im Grunde ein Missverständnis. Genau genommen sagt der russische Veteran, dass alle, die nur eine kurze infanteristische Ausbildung bekommen, keine Chance haben, den Einsatz an der Front zu überleben. Ganz gleich, auf welcher Seite sie kämpfen.

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