Klimawandel: Künstliches Abkühlen der Erde kann Hitzewellen erzeugen - oder helfen - WELT

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Falls die Erde sich immer unaufhaltsamer erwärmt, kann man sie einfach künstlich abkühlen? Forscher des „Institute for Atmospheric and Climate Science" der ETH Zürich haben sich die Idee des Geoengineering ganz genau angesehen. Es ist nur eine Modellrechnung am Computer, aber sie stimmt bedenklich: Offenbar wurde bisher eine mögliche Folge dieses Eingriffs unterschätzt. Denn das Verfahren könnte das Problem mit der Hitze nicht etwa nur lindern, sondern - zumindest in bestimmten Gebieten - sogar schlimmer machen.

Der Klimawandel wird angetrieben von einer Schicht aus Klimagasen wie Kohlendioxid, die sich in der Atmosphäre ansammeln und dabei wie eine Glasscheibe im Treibhaus wirken: Die Sonnenstrahlen, die auf die Erde treffen und wieder Richtung Weltraum zurückgeworfen werden, prallen von ihnen ein zweites Mal ab, Richtung Erde. Dadurch heizt sich der Planet immer weiter auf.

Umkehr des Treibhauseffekts

Beim Geoengineering, genauer: seiner „solaren" Form, werden die Treibhausscheiben sozusagen abgedunkelt, damit insgesamt weniger Sonnenstrahlung in den Bereich zwischen Atmosphäre und Erdoberfläche kommt.

Dadurch soll der Treibhauseffekt ausgeglichen, wenn nicht sogar umgekehrt werden. Es ist genau das, was nach Vulkanausbrüchen durch den hinausgeschleuderten Staub von Natur aus passiert. Einige Wissenschaftler würden den Effekt gern künstlich, zum Beispiel durch Sulfat-Aerosole, nachstellen.

Diese Aerosole sind schwebende Salzkristalle, sie entstehen auch spontan in der Luft aus dem Gas Schwefeldioxid. Weil sich Luftfeuchtigkeit an sie anlagern kann und um sie herum lauter kleine Tropfen entstehen, die schließlich zu Wolken werden, schirmen sie die Erde vor der Sonne ab.

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Nun, da klar ist, dass die 1,5-Grad-Schwelle der Erderwärmung gerissen werden wird, und zwar schon in den 2030er-Jahren, bekommt die Idee immer mehr Fürsprecher. Aber es gibt auch Risiken, bislang sind sie schwer zu kalkulieren.

Um genauer nachvollziehen zu können, wie die Aerosole das Klima verändern würden, programmierte das Schweizer Forschungsteam ein Rechenmodell. Es vollzieht nach, was in den einzelnen Weltregionen klimatisch passiert, nachdem man Schwefelaerosole in die Stratosphäre über den Tropen injiziert hat.

Das Modell bezog dabei auch mit ein, dass die Aerosole nicht nur die Erde von der kurzwelligen Strahlung der Sonne abschirmen, sondern dass sie selbst auch die langwellige Strahlung, also Wärme, von der Erde aufnehmen und für einige Zeit speichern können.

„Starke Erwärmung in 15 Kilometern Höhe"

„Wir haben herausgefunden, dass einige schädliche Auswirkungen dieser Injektion in einigen Regionen von ähnlicher Größenordnung sind wie die des Klimawandels selbst", schreibt das Team im Fachblatt „Advancing Earth and Space Sciences". „Dazu gehört eine starke Erwärmung fünfzehn Kilometer über den Tropen, die Wettermuster in der Atmosphäre großräumig verändert."

Folgen seien eine verstärkte Erwärmung der Oberfläche in den Polarregionen und eine Veränderung der Niederschlagsmuster über Land. Der Effekt auf den Klimawandel? „Die Erwärmung in den hohen nördlichen Breiten wird nicht vollständig abgemildert."

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Abkühlung um 0,3 Grad Celsius

Die norwegische Ingenieurin Helene Muri, die selbst im Auftrag der EU die Möglichkeiten von Geoengineering auslotet, gab sich dem Fachblatt „Chemistry World" gegenüber überrascht: Tatsächlich sei auch ihr neu, dass es statt einer Abkühlung eine regionale Erwärmung geben könne, wenn Aerosole in den niedrigen Breiten injiziert würden. Hier nehmen die Sulfat-Teilchen besonders viel Wärme auf.

Diese kritischen Breitengrade, in denen lieber kein Geoengineering mit Sulfat stattfinden sollte, liegen zwischen den 50. Breitengrad und dem Äquator, reichen also auf der Nordhalbkugel von Afrika bis Mitteleuropa.

Die Aerosole müssten stattdessen weiter nördlich beziehungsweise viel weiter südlich in die Stratosphäre gebracht werden, an den Polkappen, wo die Erwärmung durch den Triebhauseffekt ohnehin das größte Problem darstellt, weil sie die Eismassen immer schneller zum Schmelzen bringt.

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Die Schweizer Forscher geben die Idee des Geoengineerings nicht verloren, im Gegenteil. Sie haben sich auch überlegt, womit man das Klima stattdessen abkühlen könnte, wenn doch die Sulfatteilchen so risikoreich sind. Ihr Favorit: Teilchen, die weniger gut Wärme aufnehmen.

Sie schlagen das Mineral Kalkspat vor, eine besonders stabile Form von Calciumcarbonat. Außerdem Aluminiumoxid - und Diamant. Ob die Wolken dann glitzern? Das wäre wenigstens hübsch anzusehen.