„Leute hungern eben, Rentner sterben": Russlands Wirtschaft steht vor bitterem Abstieg

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Stand: 06.05.2024, 18:00 Uhr

Von: Amy Walker

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Wie geht es der russischen Wirtschaft aktuell wirklich? Das ist eine Frage, die Ökonomen seit vielen Monaten mittlerweile umtreibt. Einige vermuten, dass die Lage schon jetzt dramatisch ist.

Moskau - Russlands Wirtschaft hat sich binnen weniger Jahre in eine Kriegswirtschaft verwandelt: Völlig abhängig ist sie mittlerweile von der Produktion von Rüstungsgütern, von dem Handel mit China und vom Weiterlaufen des Öl- und Gasgeschäfts, das trotz Sanktionen des Westens noch Abnehmer findet.

Doch auch wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr nach einer Prognose der Weltbank bei 3,2 Prozent liegen könnte, geht es Russland alles andere als gut. Die Inflation bleibt extrem hoch, Unternehmen müssen Enteignungen fürchten und finden aufgrund der Einberufung immer weniger Arbeitskräfte. Das sucht das Land immer mehr heim.

Russlands Wirtschaft leidet unter hoher Inflation und fehlenden Einnahmen

So berichtet das Portal Newsweek, dass Russlands Wirtschaft ab 2025 und dann stetig bis Ende der Dekade anfangen wird zu schrumpfen. Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge wird das BIP im kommenden Jahr nur noch 1,8 Prozent betragen. Eine Kriegswirtschaft ist schließlich keine nachhaltige Wirtschaft - und solange Machthaber Wladimir Putin seinen blutigen Ukraine-Krieg weiterführt, festigt sich die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Konflikt. Noch immer hält sich die Inflationsrate hartnäckig bei acht Prozent - trotz drastischer Zinsanhebungen durch die russische Zentralbank im vergangenen Jahr. Die Zentralbank erwartet für 2024 eine durchschnittliche Teuerungsrate von 4,8 Prozent.

Unklar ist auch, wie Putin seinen Krieg über das Jahr 2024 hinaus noch finanzieren will. Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) sagte der russische Wirtschaftswissenschaftler Igor Lipsiz noch Anfang April: „Mir und auch anderen Ökonomen scheint, dass Russland in diesem Jahr den Krieg noch finanzieren kann."

Russlands Wirtschaft und der Ukraine-Krieg: Wo soll das Geld herkommen?

Aber danach sei unklar, „wo das Geld herkommen soll." Dem Staat sind immer mehr Einnahmequellen eingebrochen, das zeigt sich jetzt erst in aller Deutlichkeit. Beispielhaft ist dafür Gazprom, das 2023 zum ersten Mal in der Geschichte ein Verlustgeschäft machte. Stattdessen macht der Staat einfach immer mehr Schulden, deren Zurückzahlung in naher Zukunft den Haushalt massiv belasten wird.

Russlands Wirtschaft geht es schlechter, als man meinen würde. © Sergei Savostyanov/dpa

Großes Problem ist laut allen Experten aktuell der Fachkräftemangel, der sich in Russland durch die Mobilmachung nur verschärft hat. „Der Staat baut den Rüstungssektor aus, der sich dann wie ein Krebsgeschwür die gesunden Zellen der zivilen Wirtschaft einverleibt", sagt auch Igor Lipsiz. Der Ökonom erwartet, dass Putin und sein Machtapparat alles tun werden, um weiter Geld für den Ukraine-Krieg aufzutreiben - auch wenn dadurch das Finanzsystem kollabiert oder die Renten der Bevölkerung gekürzt werden. Schon jetzt werden die Renten nach Angaben Lipsiz' nicht so angepasst, wie sie angesichts der hohen Inflationsrate müssten.

„Putin wird das Geld nicht ausgehen": Russland nimmt Opfer in der Bevölkerung in Kauf

Ähnlich schätzt das auch Vasily Astrov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) ein. Putin werde immer einen Weg finden, den Krieg weiterzuführen. „Putin wird das Geld für den Krieg nicht ausgehen", meinte der Russland-Experte vergangene Woche. „Für die russische Wirtschaft stellt sich eher die Frage, was nach dem Krieg kommt, da sie momentan vollkommen von ihm abhängig ist", sagte Astrov. 

Wegen des Fachkräftemangels und der staatlich gesteuerten Kriegswirtschaft seien russische Reallöhne voriges Jahr um fast acht Prozent gestiegen, während sich der private Konsum um 6,5 Prozent erhöht habe, hieß es in dem Bericht des auf das östliche Europa spezialisierten Instituts.

Allerdings ist Experten wie Igor Lipsiz zufolge nicht zu erwarten, dass sich an Putins Macht irgendetwas ändert, sollten die wirtschaftlichen Probleme noch deutlicher in der Bevölkerung ankommen. „Keine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage wird zu Massenprotesten führen. Auch wenn Nahrungsmittel wie in der Sowjetunion wieder nur auf Marken gekauft werden können, was ich schon bald für möglich halte, wird das Volk es aushalten. Die Leute hungern dann eben, Rentner nehmen nur noch billige Medikamente und sterben einfach. Die politische Situation wird sich nicht ändern", sagte er der FAZ.