Tempo 30 statt Dieselverbot in München: 'Lieber langsam fahren als gar nicht'

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München - Die Stadt verschärft das Dieselverbot nicht. Stattdessen soll auf einem 2,5 Kilometer langen Abschnitt auf der Landshuter Allee Tempo 30 gelten. Das hat eine Mehrheit des Stadtrats so beschlossen - trotz erheblicher Bedenken aus der Verwaltung. Klimareferentin Christine Kugler (parteilos) hält die Maßnahme weder für rechtmäßig noch für zielführend. Kugler plädierte dafür, für Euro-5-Diesel ein Fahrverbot innerhalb und auf dem Mittleren Ring zu erlassen - mit Ausnahmen für Anwohner, Lieferverkehr, Schichtdienstleistende und andere Gruppen.

München überschreitet seit Jahren die Grenzwerte für Stickstoffdioxid. Mit der Deutschen Umwelthilfe hatte die Stadt deshalb einen Stufenplan ausgehandelt, der Stadtrat hat dem zugestimmt. Doch davon war die Stadt vergangenes Jahr abgekehrt, weil sie davon ausging, dass die Werte sinken. Das traf nicht ein. Heute sind sie laut Klimareferat praktisch identisch wie vor einem Jahr. Die Deutsche Umwelthilfe verklagte die Stadt und bekam recht.Im Urteil heißt es: Die Stadt sei "verpflichtet, weitere, über die bereits angeordneten Verkehrsverbote hinausgehende Fahrverbote für Dieselfahrzeuge anzuordnen". Eine Revision ist Stand heute nicht möglich. Der Stadtrat hat aber entschieden, Beschwerde einzulegen.

Vorbild für das Tempo-Limit ist Berlin 

Die SPD setzt auf eine Idee, die weder das Gericht noch das Klimarferat als Option nannten: ein Tempolimit von 30 km/h auf der Landshuter Alleeentlang der Wohnbebauung zwischen Dachauer Straße/Parkharfe Olympiapark und Arnulfstraße/Donnersbergerbrücke. SPD-Fraktionschefin Anne Hübner erklärte, dass der Stadtrat vor der Gerichtsverhandlung nicht einbezogen worden sei und sich deshalb nun im Nachgang in die Debatte einbringen müsse. Auch Berlin führte auf der Leipziger Straße Tempo 30 ein, um die Luft sauberer zu bekommen - und habe positive Erfahrungen gemacht, so Hübner. "Ich hätte mir mehr Ausgewogenheit seitens des Referates gewünscht." Ein Tempolimit sei ein Beitrag zum Lärmschutz und einfacher zu kontrollieren als ein Fahrverbot. Die SPD hatte die CSU auf ihrer Seite. Zwar erinnerte CSU-Stadtrat Sebastian Schall daran, dass die Stadt nicht über Fahrverbote diskutieren müsste, wenn sie an der Landshuter Allee einen Tunnel gebaut hätte. Allerdings: "Lieber langsam fahren, als gar nicht fahren."

Tempo 30 auf dem Ring in München sorgt weiter für Krach

Umweltreferentin Christine Kugler (parteilos) appellierte an den Stadtrat, sich das noch einmal zu überlegen. Die Vorstellung, der Stadtrat könnte die Maßnahmen nach dem Urteil noch einmal neu bewerten, teile sie nicht. "Der Stadtrat läuft Gefahr, einen Beschluss zu fassen, der rechtswidrig ist", sagte sie. Rechtskräftig wird das Urteil zwar erst am 16. Mai, aber dann sei es bindend. Kugler rechnet nicht damit, dass eine Beschwerde der Stadt gegen die Nichtzulassung der Revision Erfolg haben werde. Kugler erinnerte außerdem daran, dass das Bayerische Landesamt für Umweltschutz bereits vor Jahren festgestellt habe, dass Tempo 30 auf der Landshuter Allee keine Verbesserungen für die Luft bringen würde. Im Gegenteil: Es besteht sogar die Gefahr, dass die Luft schmutziger wird. Mit der Leipziger Straße in Berlin, wo täglich um die 30.000 Fahrzeuge fahren würden, sei die Landshuter Allee nicht vergleichbar. Hier seien täglich bis zu 120.000 Fahrzeuge unterwegs. Darunter viele LKW.

Nur drei Prozent des Verkehrs auf der Landshuter Allee sind flüssig

Schon heute sei laut Kugler nur drei Prozent des Verkehrs flüssig. Auch Mobilitätsreferent Georg Dunkel (parteilos) bestätigte, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit deutlich unter 50 km/h liege, in den Spitzenzeiten seien es eher 20 km/h. Beide Referenten erklärten, dass die Stadt nicht einfach so Tempo 30 anordnen kann, sondern das gut begründen muss. Ein rechtswidriger Beschluss hätte, so Kugler, nach ihrem Kenntnisstand Folgen: Zwangsgeld oder sogar Beugehaft. Sie forderte deshalb eine neue juristische Prüfung. OB Dieter Reiter (SPD) sagte zu, bei der Regierung von Oberbayern auf einem "kollegialen Weg" nach einer Einschätzung zu fragen. Sollte die Beschwerde zur Nichtzulassung der Revision abgewiesen werden, werde er den Stadtrat erneut befassen.

"Ich frage mich, warum die Grünen noch Teil der Koalition sind" 

"Wir haben keine Zeit mehr, wir muten den Anwohnern schon viel zu lange viel zu viel zu", sagte Grünen-Stadtrat Florian Roth. Statt schnell wirksame Maßnahmen zu ergreifen, setze der Stadtrat nun auf ein Pferd, das möglicherweise sogar rückwärts reite - also die Luft noch schmutziger mache. "Ich frage mich, warum die Grünen noch Teil dieser Rathauskoalition sind", sagte der FDPler Fritz Roth. Anstatt bloß die Symptome zu bekämpfen, müsse die Stadt an die Ursachen ran - und einen Tunnel auf der Landshuter Allee schaffen und den ÖPNV ausbauen.

Zumindest mit dem zweiten Punkt hatte die FDP Erfolg: Die Stadt wird eine Ringbus-Linie auf dem Ring prüfen und Gespräche mit dem Freistaat für eine Ring-S-Bahn aufnehmen. "Das werde ich delegieren, da mach ich mich ja lächerlich", kündigte Reiter an. Dabei hat die SPD im Stadtrat und im Landtag vor gut zwei Jahren selbst eine Ringbahn gefordert.