Die Pressefreiheit ist weltweit zunehmend unter Beschuss

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Neue Rangliste von Reporter ohne Grenzen

Die Pressefreiheit ist weltweit zunehmend unter Beschuss

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Demonstrantin mit Plakat am Tag der Pressefreiheit 2017 in Berlin.

Quelle: imago images/IPON

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Länder, in denen es um die Pressefreiheit gut bestellt ist, sind weltweit in der Minderheit - und ihre Zahl hat im vergangenen Jahr weiter abgenommen. Zu diesem Schluss kommt die am Freitag veröffentlichte Rangliste der Pressefreiheit der Reporter ohne Grenzen.

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Berlin. Die Lage der Pressefreiheit hat sich weltweit erneut deutlich verschlechtert. Zu diesem Schluss kommt die am Freitag anlässlich des internationalen Tags der Pressefreiheit veröffentlichte Rangliste der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG). „Unserer Rangliste zufolge befanden sich im vergangenen Jahr 36 Länder in der schlechtesten Wertungskategorie - so viele wie seit mehr als zehn Jahren nicht", sagte ROG-Geschäftsführerin Anja Osterhaus dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Unabhängige journalistische Arbeit sei in diesen Ländern praktisch unmöglich.

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Die Schlusslichter der Rangliste sind Eritrea, Syrien und Afghanistan, gefolgt von Nordkorea und dem Iran. Das drittletztplatzierte Afghanistan ist im vergangenen Jahr um ganze 26 Plätze in der Rangliste abgerutscht. „Die Taliban drohen und verfolgen Medienschaffende, nehmen Reporter fest. Für Frauen ist die Lage besonders schlimm: 80 Prozent der Journalistinnen mussten ihren Beruf aufgeben", sagte Osterhaus. Dadurch verstumme die Stimme von Frauen in Afghanistan aus den Radiosendern und Zeitungen.

Gazakrieg: Tödlich für Journalisten

Auch der Krieg in Gaza hat massive Auswirkungen auf die Pressefreiheit. „Kein anderer Krieg im 21. Jahrhundert hat für Journalistinnen und Journalisten so gefährlich begonnen wie der zwischen Israel und der Hamas", sagte Osterhaus. Seit dem Massaker der Hamas und dem Beginn der massiven israelischen Bombardierung des Gazastreifens seien nach Recherchen von Reporter ohne Grenzen 26 Medienschaffende in direktem Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden, 22 im Gazastreifen, drei im Libanon und einer in Israel. „Insgesamt sind 112 Medienschaffende getötet worden, 105 im Gazastreifen, vier in Israel und drei im Libanon", erklärte die ROG-Geschäftsführerin. Viele Journalistinnen und Journalisten im Gazastreifen seien ungewollt zu Kriegsberichterstattenden geworden. „Journalistische Arbeit war angesichts der Hamas-Herrschaft schon vor dem 7. Oktober kaum ungehindert möglich, nun ist sie lebensgefährlich."

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In Israel sei es nach dem 7. Oktober vermehrt zu Drohungen und Gewalttaten gegen Medienschaffende gekommen. „Betroffen sind vor allem arabische und palästinensische Medienschaffende, aber auch Reporterinnen und Reporter internationaler Medien und von Zeitungen, die in der israelischen Öffentlichkeit als kriegskritisch gelten, wie die linke israelische Tageszeitung ‚Haaretz'", sagte Osterhaus. Im Westjordanland habe es „Schikanen internationaler und lokaler Medienteams durch mutmaßlich radikale, bewaffnete Siedler" gegeben.

Pressefreiheit im „Superwahljahr"

Viele Übergriffe habe Reporter ohne Grenzen international im Umfeld von Wahlen beobachtet. „Besonders vor und nach Abstimmungen sind Journalistinnen und Journalisten gefährdet. Es kommt zu Beschimpfungen, Gewalt und Festnahmen", sagte Anja Osterhaus. Zum Beispiel in Pakistan: „Mindestens zehn Medienschaffende wurden dort von der Polizei oder von Unterstützerinnen und Unterstützern politischer Parteien körperlich angegriffen, während sie über Wahlkampfkundgebungen berichteten."

Die Entwicklung sei besonders besorgniserregend mit Blick auf das „Superwahljahr" 2024. „Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung wird in diesem Jahr an die Wahlurnen gebeten. Pressefreiheit ist eine Voraussetzung, um sich unabhängig eine Meinung zu bilden und eine informierte Wahlentscheidung zu treffen", sagte Osterhaus. Es gebe keine Demokratie ohne Pressefreiheit.

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Am positivsten bewertet Reporter ohne Grenzen die Lage der Pressefreiheit in Skandinavien. Mit den Niederlanden hat es lediglich ein nicht skandinavisches Land in die Top 5 der Rangliste geschafft, die ersten drei Plätze belegen Norwegen, Dänemark und Schweden. Kanada ist mit Platz 14 das bestplatzierte nicht europäische Land auf der Liste.

Deutschland klettert auf Platz zehn

Deutschland ist auf der Rangliste im Vergleich zum Vorjahr um elf Plätze auf Platz zehn geklettert. „Betrachtet man die Gesamtpunktzahl, ist die Situation in Deutschland aber nur geringfügig besser geworden, und auch nur in der Kategorie Sicherheit. Der Sprung ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass sich andere Länder auf der Rangliste verschlechtert haben", erklärte Anja Osterhaus.

Insgesamt sei das Umfeld für freien und unabhängigen Journalismus in Deutschland gut: „Es gibt eine Vielzahl von Medien, mit lokaler, regionaler und überregionaler Reichweite, die Menschen können sich umfassend informieren und die rechtlichen Rahmenbedingungen garantieren freien und unabhängigen Journalismus."

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Allerdings hätten pressefeindliche Tendenzen in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Allein 2023 hat Reporter ohne Grenzen 41 Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten gezählt - insbesondere am Rande von verschwörungsideologischen und rechtsradikalen Kundgebungen. „In den Vorjahren lag die Zahl sogar noch deutlich höher. Seit dem Beginn von Israels Krieg gegen die Hamas beobachten wir zudem vermehrt Übergriffe auf Medienschaffende auf Pro-Palästina-Demonstrationen. Und wir müssen von einer hohen Dunkelziffer ausgehen", sagte Osterhaus.

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Positiv sieht die ROG-Geschäftsführerin, dass sich das politische Umfeld für den Journalismus in manchen Ländern im vergangenen Jahr auch verbessert habe - etwa in Polen und Bulgarien. „Ein Grund dafür sind neue Regierungen, die einen stärkeren Einsatz für das Recht auf Information zugesagt haben."

Grafiken: Sabine Gurol